Streit um das Tempo der TV-Digitalisierung
Premiere-Chef Georg Kofler ruft auf dem technisch-wissenschaftlichen Forum der Internationalen Funkausstellung nach dem Staat, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck kritisiert die Wirtschaft.
Bereits vor 20 Jahren konnten sich Besucher auf dem technisch-wissenschaftlichen Forum der Internationalen Funkausstellung erstmals über das hochauflösende Fernsehen informieren, seither war HDTV ein ständiges Thema jeder IFA. Jetzt soll nun endlich der Durchbruch gelingen. "HDTV ist nicht mehr aufzuhalten, weil das Produkt selbsterklärend ist", erklärte der Präsident der Satellitenbetreiber-Gesellschaft SES Astra, Ferdinand Kayser, gestern bei einer Podiumsdiskussion über die nächste Stufe der Fernseh-Digitalisierung.
Georg Kofler, Vorstandsvorsitzender der Premiere AG, bekräftigte die Ankündigung seines Senders, mit der Ausstrahlung im neuen HD-Format den Ball im Bezahlfernsehen ins Rollen bringen zu wollen. "Am Samstag, den 19. November um 15 Uhr 30, wenn der 1. FC Köln gegen Schalke spielt wird Premiere Sport HD vom Start weg mit einem erstklassigen Programm aufwarten können", so Kofler. Die Industrie sei in der Lage, rechtzeitig die erforderlichen HDTV-Decoder zu liefern, versicherte der Vorsitzende des Fachverbands Consumer Electronics im ZVEI, Hans-Joachim Kamp. "Wir werden so liefern, dass Premiere am 19. November starten kann", erklärte Kamp.
Für die öffentlich-rechtlichen Sender, die für ihr Abwarten von der Industrie gescholten werden, erläuterte ZDF-Produktionsdirektor Andreas Bereczky noch einmal die Gründe der Zurückhaltung. Die HDTV-Einführung parallel zum 4:3- und 16:9-Format würde einen dritten Ausstrahlungsweg bedeuten; man sei jetzt gerade dabei, die Sportberichterstattung sukzessive auf das 16:9-Format umzustellen, "weil diese Bildschirme langsam einen Zuschaueranteil von 25 Prozent erreichen". Die Entscheidung über den nächsten Schritt zu HDTV werde wohl erst mit den Olympischen Spielen 2008 auf die Tagesordnung kommen, wenn die Zahl der HD-empfangsfähigen Haushalte "in Richtung zehn, fünfzehn Prozent geht".
Angesichts des Rückstands bei der Kabel-Digitalisierung glaubt Kofler, dass der Wettbewerb mit der Satellitenausstrahlung die Kabelnetzbetreiber zwingen wird, die Durchleitung von HD-Programmen zu ermöglichen. Allein in den vergangenen zwölf Monaten seien 350.000 Haushalte vom Kabel auf Satellit umgestiegen. "Ich möchte nicht im Juni 2006 im Call-Center der KDG sein müssen, wenn Deutschland gegen Argentinien spielt, um dann den Kunden zu erklären, dass man das Spiel im Kabel leider nicht hochauflösend empfangen kann, sondern nur per Satellit", spottete er. Den Stand der Verhandlungen seines Unternehmens mit den großen Kabelnetzbetreibern bezeichnete er jedoch als "fortgeschritten" und zeigte sich zuversichtlich, schon in Kürze vermelden zu können, dass Premiere HD wenn auch nicht in allen, so doch "in wichtigen Kabelgebieten" verbreitet werde.
Heftig ging der Premiere-Chef den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck an, indem er von der Politik wie bei Einführung des terrestrischen Digitalfernsehens DVB-T eine ähnliche Initiative für die Voll-Digitalisierung von Kabel und Satellit forderte und die Festlegung verlangte, im Jahre 2008 oder 2009 auch dort die analoge Verbreitung einzustellen. "In drei Jahren können sich sogar Deutsche auf eine Reform vorbereiten", warf der Südtiroler provozierend in die Runde. "Anderswo schafft man das in zwölf Monaten".
Daraufhin warf ihm Beck unsachliche Effektheischerei vor und verwies auf den noch von der Kohl-Regierung 1998 in der "Initative Digitaler Rundfunk" mit den 16 Bundesländern vereinbarten Fahrplan. "Wir haben ein klares Datum, das steht: 2010", erklärte der Politiker in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder. "Wir haben es mit einer Verfassung zu tun, die das Eigentum schützt, und deshalb können wir nicht einfach sagen, 'morgen schalten wir das ab', wenn noch Millionen Menschen analoge Geräte besitzen, die dann nichts mehr wert sind." Die mangelnde Investitionsbereitschaft der Wirtschaft zur Digitalisierung des Kabels nannte Beck ein "Trauerspiel". "An dieser Stelle liegt es nicht an der Politik", gab er den Ball an die Wirtschaft zurück. Dort fehle es an unternehmerischen Mut, in diesen Bereich zu investieren und voranzukommen. (Richard Sietmann) / (anw)