Schweizer Ständerat befürwortet DRM-Knacken zum Eigengebrauch

Die Vertretung der Kantone im eidgenössischen Parlament hat die Regierungsvorlagen zur Urheberrechtsrevision mit kleinen Änderungen befürwortet und einen Antrag zur Kappung der Kopiervergütung abgelehnt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 267 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Der Schweizer Ständerat hat die Regierungsvorlagen zur Urheberrechtsrevision mit kleinen Änderungen gemäß der Empfehlung seiner "Kommission für Rechtsfragen" am Dienstagabend mit großer Mehrheit befürwortet. Die Eidgenossen steuern so mit der Unterstützung der Vertretung der Kantone im Schweizer Parlament auf eine Regelung zu, wonach einerseits "wirksame technische Maßnahmen zum Schutz von Werken und anderen Schutzobjekten nicht umgangen werden dürfen". Andererseits schloss sich die "kleine Kammer" dem Vorstoß des Schweizer Bundesrates an, wonach Kopierschutzknacken für den Eigengebrauch erlaubt werden soll.

Sollte der Entwurf zur Änderung des Schweizer Urheberrechtsgesetzes (URG) in Folge nun auch von der zweiten Kammer, dem Nationalrat, befürwortet werden, käme es zu einer deutlich liberaleren Sanktionierung technischer Fesseln für digitale Inhalte als in Deutschland. Ziel der Revision in der Schweiz ist es, Möglichkeiten zum Kopieren für rein private Zwecke sowie für andere "gesetzlich erlaubte Verwendungen" wie etwa "wissenschaftliche Zwecke" nicht durch Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) einzuschränken. Auch das Herunterladen geschützter Werke aus dem Internet zum persönlichen Gebrauch soll uneingeschränkt zulässig bleiben.

Eine Reihe zivilgesellschaftlicher Organisationen fordert aber bei Kopierblockaden darüber hinaus prinzipiell Auflagen zur Offenlegung von Verschlüsselungsinformationen zur Interoperabilitätssicherung. Die Initiative Kunstfreiheit.ch lehnt einen rechtlichen DRM-Schutz zudem generell ab. Ihre Ermahnungen stießen im Ständerat jedoch auf taube Ohren.

Eine Debatte über die DRM-Klausel fand nicht statt. Ausgiebig diskutierten die Abgesandten der Kantone dagegen über einen letztlich abgelehnten Antrag von Hannes Germann aus der Schweizerischen Volkspartei zur Kopiervergütungsregelung. Er wollte erreichen, dass Benutzer eines Werks pro Verwendung nur eine Entschädigung zahlen müssen. Bei einer CD-ROM, brachte Germann ein Beispiel, sei bereits eine Urheberabgabe auf den Rohling bezahlt worden. Nun solle der Konsument zusätzlich für die Speicherkapazität "abkassiert" werden, auch wenn er nur selbst geschossene Fotos darauf sichere. "Künstler sollen entschädigt werden, aber gezielt für eine effektiv stattgefundene Leistung", verlangte der Vertreter der Volkspartei. Unterstützung erhielt er von Dick Marty. Der Liberale wetterte gegen Nutzungsbeschränkungen durch DRM wie die nur fünfmal gestattete Übertragung von Songs, die bei iTunes gekauft werden, auf andere Rechner.

Der Berichterstatter Hansruedi Stadler hielt dagegen, dass mehreren Rechten von Urhebern und Verwertern auch bei scheinbar nur einer Nutzung eines Werks Rechnung getragen werden müssten. Dabei habe sich die in der Schweiz 1992 eingeführte Pauschalvergütung zur angemessenen Entschädigung der Rechtehalter bewährt, mit der "unkontrollierbare Massennutzungen im Interesse der Nutzer legalisiert werden." Eine Geräteabgabe werde es weiterhin nicht geben. In Computer oder MP3-Player eingebaute Speicher wie Festplatten seien aber "faktisch Leerträger" und müssten daher von der Kopiervergütung erfasst werden.

Bundesrat Christoph Blocher verteidigte die Pauschalentgeltung als "einfach". Sie habe zwar den Nachteil, "dass jemand etwas mehr und jemand etwas weniger bezahlt." Eine individuelle Abrechnung hätte dagegen "unglaubliche Folgen" in Richtung "Schnüffelei". Nirgends in Europa gebe es ferner ein so gutes System der Kontrolle über die Festlegung der Pauschalen "mit einer Schiedskommission in paritätischer Zusammensetzung" wie in der Schweiz. Die Neufassung von Artikel 19 Absatz 5 URG stelle zudem klar, dass bei individuell bezahlten Werken nicht noch einmal eine pauschale Abrechung über eine Verwertungsgesellschaft erfolge.

Ähnlich argumentierte der Christdemokrat Eugen David. Ihm zufolge wird die kollektive Vergütung umso wichtiger, je mehr die digitale Technik voranschreitet. Natürlich könne man jede einzelne Nutzung zählen, sagte er in Richtung Germann, "aber stellen Sie sich mal vor, welchen Überwachungsapparat das gibt! Das ist Big Brother, das wollen wir nicht." Zudem wäre es auch sehr kostspielig, die Abrechnungsapparaturen aufzubauen. Eine statistische Durchschnittsbetrachtung, wie CDs genutzt werden fürs Speichern von Musik, komme daher für den Verbraucher günstiger. Ab wann Privatkopien konkret entschädigungspflichtig sind und ob die Weitergabe einer gebrannten CD an Freunde oder Kollegen zulässig ist, sah David mit dem Revisionsentwurf aber nicht klar geregelt. Blocher will hier die Gerichte entscheiden lassen.

Streit gab es auch um die Einführung einer Regelung, wonach Fernsehsender zehn Jahre altes Material ohne die ihrer Ansicht nach schwer einzuholende Individuallizenz der vielen Rechtehalter im Gegenzug für die Zahlung einer Vergütungspauschale online zugänglich machen dürfen. Die Mehrheit des Ständerates stimmte ihr aber letztlich genauso zu wie einer verwandten Bestimmung über freie Verwendungsmöglichkeiten "verwaister Werke", bei denen Rechtehalter nicht mehr ausfindig zu machen sind.

Abgesegnet hat der Ständerat weiter eine Erlaubnis für Archive, ihre Werke im Interesse der Erhaltung von Wissen und Kultur elektronisch zu erneuern. Eine kommerzielle Nutzungsmöglichkeit soll damit nicht verknüpft sein. Auch vorübergehende und rein technisch notwendige Vervielfältigungshandlungen bei Providern oder Sendern sollen laut der kleinen Parlamentskammer gestattet werden. Im Endeffekt sprach Blocher angesichts der großen Auseinandersetzungen um das Urheberrecht von einer Einigung "auf das am wenigsten konfliktträchtige Konzept". Ein besserer Interessensausgleich habe sich bisher nicht abgezeichnet, "ohne dass man andere benachteiligt". (Stefan Krempl) / (pmz)