Plädoyer für Lowtech

Ein unausgesprochenes Credo unserer Zeit scheint zu sein, dass ein technisches Problem eine Hightech-Lösung erfordert. Nein, wie diie Lowtech-Projekte Sun Cutter und Solar Sinter zeigen.

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Von
  • Niels Boeing

Ein unausgesprochenes Credo unserer Zeit scheint zu sein, dass ein technisches Problem eine Hightech-Lösung erfordert. Am besten noch eine, die zur Massenproduktion taugt. Lowtech hingegen hat hingegen den Ruch des Gestrigen, mit dem sich Keller-Tüftler beschäftigen. Sie ist nichts, womit man im Wettbewerb der Globalisierung bestehen könnte.

Hightech erfordert bekanntlich exzellentes, oft gut geschütztes Knowhow und eine Menge Kapital. Fertig entwickelt, wird sie schließlich in ein aufwendiges Design verpackt. Ihre Botschaft an uns: So was kannst du nicht.

Das ist eigentlich schade. Denn nicht nur wird in Hightech-Innovationsversuchen immer wieder viel Kapital versenkt. Wir als Nicht-Ingenieure verlieren auch zunehmend den Bezug zu technischem Know-how und das Interesse, es uns überhaupt anzueignen, es selbst weiterzuentwickeln.

Daran musste ich wieder denken, als mir Freunde kürzlich Videos von zwei Projekten des Industriedesigners Markus Kayser schickten: dem "Sun Cutter" und dem "SolarSinter": Der Sun Cutter besteht aus einer, von einfachen Motoren und Riemen gesteuerten Halterung für eine dicke Glaskugel. Mit der bündelt Kayser Sonnenlicht zu einem energiereichen Lichtstrahl, der dieselbe Wirkung wie ein Laserstrahl entfaltet: Er schneidet Muster in Holz und Pappe, wenn die Kugel in entsprechenden Bewegungen darüber hinweg gefahren wird (Video). Der Sun Cutter ist gewissermaßen der grobschlächtigere Cousin des Lasercutters.

(Bild: Markus Kayser)

Der Solar Sinter ist etwas aufwendiger. Über eine große Fresnel-Linse wird Sonnenlicht auf einen mit Sand gefüllten, offenen Behälter geworfen. Wo der gebündelte Lichtstrahl hinfällt, verschmilzt der Sand an der Oberfläche zu einer groben Sintermasse. Senkt man den Boden des Behälters ein wenig ab und deckt die glasigen Stellen mit Sand zu, kann man den Vorgang so lange wiederholen, bis ein Objekt entstanden ist (Video). Im Prinzip nicht anders als beim Lasersintern, einer Variante der Additiven Fertigung (im Volksmund als "3D-Druck " bezeichnet).

(Bild: Markus Kayser)

Klar, die Objekte, die Kayser so herstellt, können es mit Hightech-gefertigten Dingen nicht aufnehmen. Und vom Design her würden sie höchstens als Kunstwerk durchgehen. Beeindruckend ist aber doch gerade die alles in allem simple Konstruktion, mit der die beiden Geräte funktionieren (die sengende ägyptische Sonne ist in diesem Fall natürlich nicht ganz unerheblich). Mehr noch: Die Konstruktion und das Funktionsprinzip sind leicht nachvollziehbar. Man kann an ihnen etwas lernen. Von welchem Hightech-Industriegerät lässt sich das sagen – selbst, wenn man es aufgeschraubt hat?

Eine zweite Erkenntnis ist für mich: Technische Probleme brauchen nicht automatisch komplizierte Lösungen. Auf einfach umsetzbare und für viele zugängliche Lösungen zu kommen, ist vielleicht eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Es geht mir nicht darum, Hightech und Lowtech gegeneinander auszuspielen. Aber die Hightech-Gesellschaften könnten sich etwas Gutes tun, wenn sie in diesem Sinne auch Lowtech stärker fördern würden. Erst recht, wenn die am Horizont stehende Weltwirtschaftskrise eines Tages Realität würde. (nbo)