Rochaden vom Roboter

Schachzüge nicht nur auszudenken, sondern sie auch auszuführen ist derzeit für Roboter ein große Herausforderung. Wie schwierig der Griff zu Turm und Läufer ist, wird sich am 9. und 10. August beim zweiten Roboterschachturnier in San Francisco zeigen.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Sich gute Schachzüge auszudenken ist eine Sache. Sie selbstständig und korrekt auszuführen eine andere – und für Computer derzeit die größere Herausforderung. Wie schwierig der Griff zu Bauer, Turm und Läufer ist, zeigt sich am 9. und 10. August beim zweiten Roboterschachturnier in San Francisco.

"Small-Size Robot Manipulation Challenge" lautet der komplette Titel des Wettbewerbs, der im Rahmen der Jahrestagung der Association for the Advancement of Artificial Intelligence (AAAI) ausgetragen wird. Darin klingt schon an, dass es hier nicht in erster Linie um raffinierte Rochaden, Bauernopfer oder andere ausgeklügelte Spielzüge geht. "Alle Teilnehmer verwenden frei verfügbare Schachmaschinen wie GNU Chess", sagt Wettbewerbsleiter David Touretzky von der Carnegie Mellon University. "Sie schreiben keine eigenen."

Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht der sichere Griff zur Figur und ihre korrekte Platzierung auf dem richtigen Feld. Dazu muss der Roboter aber zunächst die Situation auf dem Schachbrett erkennen und deuten. "Derzeit kann niemand die Figuren selbst identifizieren und etwa einen Bauern von einem Turm unterscheiden", so Touretzky. "Wir bestimmen daher, welche Felder belegt sind und schließen aus den Veränderungen auf die erfolgten Züge." Das allein sei schon schwer genug, weil manche Figuren andere verdecken und perspektivische Verzerrungen die Roboter narren können. "Einige Teams bringen die Kamera extra hoch an, um einen fast senkrechten Blick aufs Schachbrett zu bekommen. Andere haben sie niedriger montiert und versuchen, die schwierigeren Bildverarbeitungsprobleme zu lösen."

Zu den Robotern, die nur einen schrägen Blick aufs Brett werfen können, zählt der an der Carnegie Mellon University entwickelte Sechsbeiner Chiara. Er ist als einziger Teilnehmer vom vorigen Jahr auch dieses Mal wieder dabei, wenn auch mit Veränderungen. Die übrigen drei Teams nehmen zum ersten Mal teil. Neben kleinen Robotern wie Chiara, die auf dem Tisch um das Schachbrett herum laufen können, sind auch Roboterarme zugelassen. Einer von ihnen ist Hekateros von der Firma Road Narrows Robotics. Das Team sei sehr begeistert, sagt die System und Projektingenieurin Kim Wheeler. "Der Schachwettbewerb ist für uns die erste Gelegenheit, den Arm öffentlich vorzuführen."

Mit Schachmatt wird aber wohl keine Partie ausgehen. Aus Zeitgründen sind die Spiele auf zehn Züge für jede Seite begrenzt, die Sieger werden nach Punkten ermittelt: Jeder innerhalb von zwei Minuten korrekt ausgeführte Zug wird mit 150 Punkten belohnt, das Schlagen einer gegnerischen Figur bringt 25 Punkte. Wenn der Schiedsrichter die gezogene Figur zurechtrücken muss, werden Punkte abgezogen, ebenso, wenn der Zug länger als zwei Minuten dauert. Wenn der Roboter den eigenen Zug sprachlich ankündigt oder falsch stehende Figuren erkennt, gibt es dagegen Bonuspunkte.

"Wir haben in diesem Jahr komplett andere Teilnehmer als letztes Jahr", sagt Touretzky. "Daher haben wir die Regeln nicht verändert. Fortschritte sind gegenwärtig vor allem durch die Hardware begrenzt, da dauern Veränderungen länger als bei Software." Eine große Herausforderung liege auch darin, billige Schachroboter zu bauen. "Brauchbare Roboterarme kosten heute leicht über 100.000 Dollar. Aber ein Roboter, der auf den Tisch passt, Schach spielen und andere Dinge tun kann, sollte nicht mehr als 1000 Dollar kosten und wie Laptops und Mobiltelefone massenhaft produziert werden. Da sind wir noch nicht."

Der bisher erreichte Stand ist aber auch schon ganz ansehnlich, das zeigen Videoaufnahmen (siehe unten) vom vorigen Turnier. Chiara tippelt da scheinbar nervös wie ein Krebs hinter dem Brett herum und baut dabei unerbittlich den Angriff auf. Der Roboterarm "Gambit" dagegen führt seine Züge mit abgezirkelten, effizienten Bewegungen aus und faltet sich danach in die immer gleiche Ruhestellung zusammen.

Das weckt Erinnerungen an das große Weltmeisterturnier von 1972, als Bobby Fischer mit seinem exzentrischen Verhalten seinen Gegner Boris Spasski verunsicherte und schließlich schlug. Die Unerschütterlichkeit von Schachrobotern mag auch manch menschlichen Gegenspieler aus der Fassung bringen – und vielleicht entwickeln sie ja noch ganz andere Tricks. Schach ist eben nicht nur ein Sport für den Kopf. (anw)