Irland und die Slowakei legen Klage gegen Vorratsdatenspeicherung ein

Die beiden EU-Mitgliedstaaten gehen beim Europäischen Gerichtshof gegen die Richtlinie zur Vorhaltung von Telefon- und Internetdaten vor, während im Bundestag ein entsprechender Antrag an die Bundesregierung auf Eis liegt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 103 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Irland und die Slowakei haben beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die umstrittene EU-Richtlinie zur verdachtsunabhängigen Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten erhoben. Die beiden EU-Mitgliedsstaaten gehen davon aus, dass die Annahme der tief in die Bürgerrechte einschneidenden Überwachungsmaßnahme auf der Basis einer falschen Rechtsgrundlage erfolgte. Da es sich um eine reine Angelegenheit der Strafverfolgung handle, hätte der für diesen Bereich zuständige EU-Rat einen entsprechenden Rahmenbeschluss treffen müssen, argumentieren Regierungsvertreter der beiden Länder. Die EU-Kommission hatte dagegen letztlich den Weg über eine Richtlinie eingeschlagen und die Vorratsdatenspeicherung somit als Instrument zur Binnenmarktharmonisierung ausgegeben. Bei dem Gesetzgebungsverfahren hatte daher auch das EU-Parlament ein Mitspracherecht, was insbesondere den Iren von Anfang an missfiel. Es handle sich um eine "wichtige rechtliche Frage, die geklärt werden muss", heißt es in Dublin.

Irland hatte ursprünglich gemeinsam mit Frankreich, Schweden und Großbritannien einen Entwurf für einen Rahmenbeschluss des Rates vorgelegt, laut dem die Telekommunikationsanbieter in der EU eine lange Liste an Verbindungs- und Standortdaten für eine Zeitspanne zwischen einem und drei Jahren vorhalten sollten. Der mehrfach überarbeitete Vorstoß war allerdings in dem Gremium der Regierungsvertreter heftig umstritten. Die zuständigen Justiz- und Innenminister konnten die erforderliche Einstimmigkeit zur Verabschiedung des Rahmenbeschlusses auch nach jahrelanger Debatte nicht erzielen. Die letztlich vom Parlament verabschiedete Richtlinie sieht nun Speicherfristen zwischen sechs und 24 Monaten vor.

Irland selbst hat bereits Auflagen für Telcos erlassen, wonach diese die begehrten Nutzerdaten drei Jahre lang archivieren müssen. Diese Frist sollten die Iren aufgrund weiterer Ausnahmeregelungen in der Richtlinie nach Ansicht der Kommission auch weiter beibehalten dürfen. Irland und die Slowakei wollen sich mit der Klage daher keineswegs gegen die Vorratsdatenspeicherung an sich stellen, sondern eine Grundsatzfrage über die Zuständigkeiten der Gesetzgebungssäulen in der EU behandelt wissen.

Der Vorstoß der beiden Länder in Luxemburg kann als aussichtsreich gelten. So hat der EuGH gerade ein am 28. Mai 2004 geschlossenes Abkommen zur Übergabe von Flugpassagierdaten zwischen der EU-Kommission und den USA kassiert. Die Richter entschieden, dass es keine geeignete Rechtsgrundlage für die Datenfreigabe der Fluglinien in den EU-Mitgliedsstaaten gibt. Die Kommission berief sich bei dem Abkommen genauso wie bei der Richtlinie auf ihre Kompetenz zur Binnenmarktregulierung, sodass es große Gemeinsamkeiten zwischen beiden Fällen gibt. Justizkommissar Franco Frattini hat derweil angekündigt, die Befugnisse seiner Brüsseler Behörde auch im Bereich Innere Sicherheit stärken zu wollen. Er will dazu "Brückenklauseln", die im EU-Jargon als "Passerelle" bekannt sind, zum Transfer von Zuständigkeiten nutzen.

Ein von den Grünen initiierter Gruppenantrag gegen die Vorratsdatenspeicherung liegt derweil auf Eis. Mit ihm soll auch die Bundesregierung aufgefordert werden, gegen die Überwachungsrichtlinie beim EuGH zu klagen. Inzwischen unterstützen rund 130 Abgeordnete aus den Oppositionsparteien den Vorstoß. Parlamentarier aus der Großen Koalition konnten sich aber nach einem Beschluss zur Umsetzung der Richtlinie in ihren "Mindestanforderungen" nicht für den Antrag erwärmen, sodass dieser es nicht auf die Tagesordnung für die Plenardebatte am heutigen Donnerstag schaffte. Abgeordnete wie Siegried Kauder (CDU) oder Jörg Tauss (SPD) hatten zuvor immer wieder Kritik an der Direktive und ihrer geplanten Implementierung ins nationale Recht geübt.

Bürgerrechtler und Datenschützer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung unterstützen weiterhin den Gruppenantrag und fordern die Bürger auf, ihre Volksvertreter von der weiter bestehenden Notwendigkeit der deutschen Nichtigkeitsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung zu überzeugen. Sonst bestehe die Gefahr, dass die gesetzlichen Regelungen zur Einführung der Überwachungsmaßnahme umgesetzt werden, "weil Brüssel das ja vorschreibt". Die Bestimmungen dürften dann auch nach einer Nichtigkeitserklärung der Richtlinie in Deutschland wohl kaum wieder aufgehoben werden. Der Arbeitskreis will den Protest gegen die Vorratsdatenspeicherung im Rahmen einer für Mitte Juni geplanten Demonstration in Berlin auf die Straße tragen.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)