Fachzeitschrift Nature stellt Experiment mit Open Peer Review wieder ein

Kaum ein Wissenschaftler war bereit, die online vorveröffentlichten Artikel zu kommentieren.

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Von
  • Florian Rötzer

Der koreanische Wissenschaftler Hwang Woo-Suk hatte 2005 in der Fachzeitschrift Science seine Forschung über Stammzellen aus geklonten Embryonen mit dem Erbgut von Patienten in einem Artikel beschrieben und wurde dafür weltweit gefeiert. Ende des Jahres stellte sich dann heraus, dass Woo-Suk seine Forschungsergebnisse gefälscht hatte – was auch schon auf einen 2004 in Science erschienenen Artikel zutraf. Nach dem Betrugsskandal, der Ende des letzten Jahres aufgedeckt wurde, kam es wieder zu einer Debatte um die Qualitätssicherung für wissenschaftliche Veröffentlichungen.

Die Fachzeitschrift Nature begann als Reaktion auf den Fälschungsskandal, der durch das übliche Peer-Review-Verfahren nicht entdeckt wurde, mit einer Debatte über eine Verbesserung der Beurteilung von wissenschaftlichen Artikeln. Von Juni bis Ende September wurde ein Experiment mit einem Open Peer Review-Verfahren durchgeführt, bei dem die Öffentlichkeit eingeladen war, Kommentare zu online veröffentlichten Artikeln zu geben. Ähnlich wie in Wikipedia könnten, so dachte man, die Internetnutzer Fehler und Mängel schneller und sicherer entdecken als wenige Gutachter, die von der Redaktion zur Begutachtung bestellt werden.

Obgleich von den wissenschaftlichen Autoren großes Interesse an dem Experiment bekundet wurde, waren nur 71 der angefragten 1.369 Autoren bereit, ihre bei Nature eingereichten Artikel parallel zum üblichen Peer Review-Verfahren online zur Begutachtung durch die Öffentlichkeit zu publizieren. Und es machte sich auch kaum jemand die Arbeit, einen Kommentar zu den publizierten Artikeln zu schreiben, obgleich Nature mit mehreren Aktionen auf das Experiment hingewiesen und um Teilnahme gebeten hatte.

Insgesamt wurden 92 Kommentare geschrieben. Von den 71 Artikeln erhielten überhaupt nur 38 Kommentare. Die zuständigen Nature-Redakteure beurteilten die meisten überdies als nicht hilfreich, da sie nur von allgemeiner Natur waren. Es gebe eine "deutliche Zurückhaltung bei den Forschern, offene Kommentare zu machen", heißt es bei Nature abschließend. Man werde zwar auch in Zukunft die "partizipativen Netzanwendungen" erkunden: "Aber zumindest jetzt werden keinen Open Peer Review einrichten." Vielleicht wurde das Experiment mit Open Peer Review zu früh durchgeführt, um schon von einem Scheitern sprechen zu können. Aber möglicherweise zeigt das Experiment auch die Grenzen von Web 2.0 und den sozialen Mitmachnetzwerken auf.

Siehe dazu auch in Telepolis:

(fr)