23C3: Lawrence Lessig ruft zu geschlossenem Kampf gegen das Urheberrechtsregime auf

Der "Creative Commons"-Gründer hat die Hackergemeinde aufgefordert, im "Krieg" um die kreative Verwendung der digitalen Technik eine gemeinsame Frontlinie ohne Scharmützel um einzelne Lizenzvarianten aufrecht zu erhalten.

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Lawrence Lessig, der Gründer der "Creative Commons"-Bewegung (CC), hat die Hackergemeinde darauf eingeschworen, im "Krieg" um die freie und kreative Verwendung digitaler Technik eine gemeinsame Frontlinie aufrecht zu erhalten. Scharmützel in den eigenen Reihen um die Vor- und Nachteile einzelner Lizenzvarianten müssten zurückstehen, betonte der Stanforder Rechtsprofessor am Freitagabend auf dem 23. Chaos Communication Congress (23C3) in Berlin. Ein vereintes Vorgehen sei die einzige Möglichkeit, die Kontrollmentalität des 20. Jahrhunderts rund um schöpferische Werke zu knacken. "Wir müssen diese Schlacht innerhalb der nächsten fünf Jahre gewinnen", mahnte Lessig, der für seine Kampfrede Standing Ovations im Berliner Congress Center erhielt. Andernfalls drohe der Rückfall in eine "Read-only"-Gesellschaft, in der nur Hollywood und Konsorten Inhalte produzieren und die Mediennutzer zum Konsumieren verdammt seien.

Ein wichtiger Teil des Kampfes ist es für den Aktivisten, mit Hilfe der "Creative Commons"-Lizenzen Inhalte in maschinenlesbarer Form mit klaren Nutzungsrechten zu markieren und so eine "Infrastruktur für eine freie Kultur" sowie eine Alternative zu den Verwertungsmonopolen der Unterhaltungsindustrie zu schaffen. Lessig will mit den inzwischen für 70 Länder – einschließlich Deutschland – adaptierten Vertragsformen einen großen Pool an Medieninhalten schaffen, die komplett oder für nicht-kommerzielle Zwecke zum Download und Remixen freigegeben sind. Anders als beim Urheberrecht oder beim Copyright US-amerikanischer Prägung behalten sich die Künstler bei CC nur einige Rechte vor, während sie die Nutzungsmöglichkeiten für Dritte erhöhen.

Lessig freute sich bei dem Hackertreffen, dass die Zahl der CC-Anwender innerhalb des vergangenen Jahres von 45 auf 150 Millionen angestiegen sei. Er kündigte an, dass innerhalb der nächsten Tage die Nutzung von CC-Metadaten vereinfacht werden solle, um die auf Creative Commons aufsetzende "Tauschökonomie" besser mit der traditionellen Wirtschaft zu vernetzen. Damit könne sich ein Interessent für die kommerzielle Verwendung etwa eines Songs mit einer CC-Lizenz, die eine solche zunächst nicht vorsehe, rasch zu einer Art Marktplatz für den Erwerb der benötigten Rechte durchklicken. So würde die Interoperabilität zwischen neuen und traditionellen Lizenzformen erhöht und eine einträglichere Nutzung der Kreativität im Web möglich.

Gleichzeitig wehrte sich Lessig erneut gegen Vorwürfe des Ausverkaufs aus Richtung der von Richard Stallman ins Leben gerufenen Free Software Foundation (FSF). Es sei richtig, dass insbesondere Musiker oder Fotografen die freie kommerzielle Nutzung ihrer Werke ausschließen könnten, unterstrich Lessig. Sonst könne ein Konzern wie Sony BMG CC-Titel auf eine CD packen, verkaufen und die Gewinne ohne Vergütungszahlungen an die Urheber einstreichen. Die "Non Commercial"-Lizenz sei nichts anderes als das Pendant zur Copyleft-Bestimmung der GNU General Public License (GPL) der FSF, da auch sie einen Schutz gegen das "Free Riding" durch schwarze Schafe böte. Gemäß dem Copyleft-Prinzip müssen Modifikationen einer freien Software wieder unter derselben Lizenz verbreitet werden. Ein Äquivalent dazu bei CC ist die "Share alike"-Vertragsform. Diese reicht laut Lessig bei einigen digitalen Werkformen aber allein nicht aus, um gleichsam "Schwarzfahren" auf Kosten der Urheber zu verhindern.

Eigentlich sollten derlei Auseinandersetzungen dem Professor zufolge in kleiner Runde ausgetragen oder hintangestellt werden. In einer Zeit, in der kein normaler Mensch mehr herausfinden könne, wie er angesichts eines Wustes neuer Copyright-Regelungen noch legal Inhalte produzieren könne, stehe das bisherige System geistiger Schutzrechte genauso kurz vor dem Untergang wie das Regime in der UdSSR in den 1980ern. Es ergebe aber wenig Sinn, innerhalb der nächsten zwanzig Jahre auf eine progressive Urheberrechtsgesetzgebung zu hoffen. Die Demokraten in den USA hätten etwa gerade mit Howard Berman einen Abgeordneten an wichtige Schaltstellen im US-Kongress gesetzt, dessen Loyalität zu Hollywood sprichwörtlich sei. Auch die Rechtsprechung schaffe keine Abhilfe, solange am Supreme Court "70-jährige Richter" über die Betreiber von P2P-Netzen wie Grokster entscheiden.

Zum Scheitern verurteilt sieht Lessig auch einen rein technischen Widerstand gegen Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM). Diese müssten zwar "eliminiert" werden, knüpfte der Wissenschaftler an seine bisherige Linie an. Aber angesichts des "irrationalen und brutalen" Vorgehens der anderen Seite, die DRM-Hacker als "Terroristen" abstempele, könne so der Widerstand des bestehenden Regimes nicht gebrochen werden. Die Herzen der Massen seien auf diesem Weg nicht zu gewinnen. John Perry Barlow, Cyberdissident und Gründer der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF), widersprach Lessig an diesem Punkt. Er rief zu "massivem zivilen Ungehorsam" gegen Bemühungen zur Durchsetzung von DRM auf. Das Aufbrechen der digitalen Fesseln ist für ihn "momentan das einzige Werkzeug in unseren Händen". (Stefan Krempl) / (hos)