Lobbykampf um Softwarepatente verschärft sich erneut

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft sowie Hightech-Größen machen sich für die umstrittene Ratsposition zur EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" stark.

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Im Streit um die EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" gehen die Lobbybemühungen aller Seiten in eine neue Runde. Nachdem sich ein Großteil des Lagers der Softwarepatentgegner bereits am Montag klar für einen kompletten Neustart des Gesetzgebungsverfahrens ausgesprochen hat und sich dabei vor allem Unterstützung durch die Union erhofft, bringt sich nun auch die Gegenseite in Position. Vor allem Hightech-Größen -- aber auch ein Mittelstandsverband -- versuchen in Berlin, Brüssel und Warschau Druck zu machen für eine rasche Verabschiedung der Position des EU-Rates vom Mai, die allerdings selbst in den eigenen Reihen nicht mehr als mehrheitsfähig gilt.

Hierzulande hat der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) in der viel diskutierten Thematik der Softwarepatente gerade eine Kehrtwende vollzogen. Die Interessensvertretung, die bis Mitte 2004 unter dem Namen Deutscher Multimediaverband (dmmv) auftrat, hatte ursprünglich die Parlamentsentscheidung vom September 2003 begrüßt. Diese setzt hohe Hürden für die Patentierbarkeit von Software. Jetzt glaubt der BVDW allerdings, dass die entgegen gesetzte Richtlinienversion des Ministerrats in "die richtige Richtung" weist.

"Es wäre fatal und schädlich für den IT-Standort Europa, wenn die Ratsposition jetzt wieder nicht beschlossen wird", erklärt Rudi Gallist, BVDW-Vizepräsident und ehemaliger Chef von Microsoft Deutschland. "Die Unterstützung der Bundesregierung für die Ratsposition war und ist richtig." Durch das theoretisch am nächsten Montag mögliche Abnicken des Standpunkts des Ministergremiums erhofft sich Gallist "endlich Rechtssicherheit" für die Softwarebranche. "Eine Verhinderung der mühsam gefundenen Ratsposition wirft uns alle um Jahre zurück und schadet Investitionen in Forschung und Entwicklung", betont der Verbandsoffizielle. Der BVDW fordert nun die Bundestagsabgeordneten "eindringlich" auf, sich für den Entwurf des EU-Rates einzusetzen. Im deutschen Parlament hat der entscheidende Rechtsausschuss allerdings gerade die letzten Weichen für die Verabschiedung eines Antrags gestellt, der den Ratsstandpunkt scharf kritisiert.

Als Argument für die Linie der Minister führt der BVDW unter anderem an, dass Patente "gerade für kleine und mittlere Unternehmen das einzige Instrument zum Schutz ihrer eigenen Innovationen" sind. Dies sieht der Großteil der Firmen in dieser Kategorie allerdings anders, denn der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hatte erst im November erneut gegen die Ratslinie und die befürchtete Ausweitung des Patentschutzes auf Computerprogramme Stellung bezogen. Zudem fordert aktuell auch die mittelständische Initiative "Hamburger Unternehmen gegen Patentierbarkeit von Software" alle deutschen Mitglieder des Rechtsausschusses im EU-Parlament dazu auf, "sich für einen Neustart des Gesetzgebungsverfahrens über Softwarepatente in Europa einzusetzen."

Hightech-Größen aus der Industrie stärken in der Zwischenzeit dem EU-Rat den Rücken. So hat etwa die Brüsseler Cheflobbyistin von Nokia eine E-Mail an die Mitglieder des Rechtsausschusses des EU-Parlaments geschickt. Sie verweist darin auf die "sehr hohe Bedeutung", welche die Richtlinie für die Branche habe. Weitere Verzögerungen seien untragbar. Die Ratsposition sei zudem so angelegt, dass sie Softwarepatente ausdrücklich nicht zulasse.

Diese Ansicht versuchen derzeit neben Nokia auch Vertreter von Siemens, Philips, Ericsson und Alcatel der polnischen Regierung nahe zu bringen. Polen hat das Durchwinken der Ratsposition bereits wiederholt verhindert und ist der Auffassung, dass diese die Patentierbarkeit von Computerprogrammen eben gerade nicht effektiv ausschließt. In einem Brief an den polnischen Ministerpräsidenten Marek Belka versuchen die Mobilfunkausrüster nun, das Gegenteil zu beweisen. Ganz einig scheinen sich die Konzerne allerdings nicht zu sein: So hatte Philips jüngst laut niederländischen Medienberichten auch schon zum Ausdruck gebracht, auf die Richtlinie gut verzichten zu können.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)