Bei Geodaten sind offene Kartensysteme auf dem Vormarsch

"Datenbanken können Geodaten heute problemlos verarbeiten, aber die entscheidende Plattform ist das Web", hieß es auf einer Tagung zu Deegree, dem vom Geographischen Institut der Uni Bonn gegründeten Open-Source-Projekt für Geoinformationsdaten.

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

"Datenbanken können Geodaten heute problemlos verarbeiten, aber die entscheidende Plattform ist das World Wide Web", sagte Professor Klaus Greve vom Geographischen Institut der Universität Bonn auf der ersten Deegree-Tagung in Bonn. Deegree ist ein vor fünf Jahren vom Bonner Institut gegründetes Open-Source-Projekt für Geoinformationsdaten, das die bislang umfangreichste Implementierung von Standards des Open Geospatial Consortium (OGC) und der Internationalen Standardisierungsorganisation ISO vorweisen kann. Laut Greve gibt es bereits Projekte in Deutschland, Frankreich, Italien und Brasilien. Eingesetzt werden sie unter anderem bereits von fünf Kommunen in Deutschland, aber auch der Welternährungsorganisation FAO. Außerdem setzt das OGC Deegree als Referenzimplementierung für den Webmapping-Service ein.

Erst seit Mitte der 90er-Jahre können Datenbanken mit Geoinformationssystemen (GIS) umgehen. Heute geht der Trend zu kaskadierenden Webservices. Hier holt sich ein Server für die Erstellung einer Karte von verschiedenen Servern die notwendigen Daten wie Luftbilddarstellungen, Gebäude- und Geländedaten. "Letztlich könnten sogar verschiedene Gebietskörperschaften ihre Karten zu einem Geländemodell von Nordrhein-Westfalen zusammensetzen", erklärt Greve. Einen wichtigen Trend sieht Greve bei Mashups: "Es ist kein Zufall, dass Mashups so viele Kartenanwendungen haben. Die Menschen interessiert jedoch nicht, wie hoch etwa die Ozonwerte in einem Bundesland, sondern wie hoch sie vor ihrer eigenen Haustüre sind. Diese Daten wollen sie dann kommentieren." Auch wollten "Menschen bei Katastrophen wie Tsunamis sich selbst ein Bild von der Lage machen und nicht warten, bis der Spiegel seine erste Infografik gebastelt hat".

Alexander Zipf von der Fachhochschule Mainz stellte dementsprechend ein im Herbst 2005 an Start gegangenes Projekt für "offenes Katastrophenmanagement" vor, an dem auch die Fachhochschulen Oldenburg und Osnabrück sowie einige Unternehmen beteiligt sind. "Rettungskräfte wie die Feuerwehr arbeiten heute noch mit Papierkarte, Handy und Funkgeräte", sagt Zipf. Ziel des Projekts ist es, verschiedene Sachverhalte mit geografischem Bezug wie Schadensherd, Ausbreitung und Entwicklung, Absperrungen, Ressourcen und Infrastruktur auf einer interaktiven Karte darzustellen, um Einsätze besser planen und durchführen zu können. Mit dem schnellen Zugriff auf relevante Geo- und Metadaten sollen katastrophenrelevante Informationen raumbezogen visualisiert und Modellberechnungen etwa zur Schadstoffausbreitung oder Überflutung von bestimmten Flächen so schnell möglich werden.

Die Stadt Bonn setzt seit 2003 Open-Source-Bausteine für ihren Webterrain-Service ein, der Teilausschnitte der Stadt dreidimensional aus vom Nutzer definierten Blickwinkeln darstellt. So lässt sich die Beleuchtung nach Jahres- und Uhrzeit separat einstellen. Das Geländebild wird mit Luftbildern mit einer Auflösung von 10 Zentimetern und dreidimensionalen Gebäudedarstellungen mit 1-Meter-Punktdichte kombiniert. Greve erklärt: "Noch sind die Daten zentral auf einem Server gespeichert, doch die Idee ist es, die Daten von verschiedenen Server je nach Nutzeranforderung zusammenzutragen."

Mit dem Einsatz von Open Source spart die Stadt Bonn im Bereich der Wartungskosten jährlich zwischen 20.000 und 30.000 Euro ein. Zwar, so Guido Blome von der Stadtverwaltung, habe man massiv in die Open-Source-Produkte investiert, doch "nicht in den Dimensionen kommerzieller Produkte." Derzeit gebe es keine Notwendigkeit, ein kommerzielles Produkt einzusetzen. Die Stadtverwaltung plant derzeit das Desktop-GIS durch ein webbasiertes GIS abzulösen, "weil eine Aktualisierung nicht mehr anders zu realisieren ist". Künftig soll zudem ein serverseitiges Drucken großer Formate möglich sein. Auch sollen Prototypen wie Bäume oder Haltestellen in die Kartendaten integriert werden.

Katharina Lupp vom Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung Hamburg stellte eine Degree-Anwendung vor, die für das browserbasierte Geoportal der Metropolregion Hamburg entwickelt wurde. Mit dem Dienst Gazetteer etwa können Georeferenzen wie Adressen auf direkte Koordinaten abgebildet werden. Die Suche funktioniert nach naturräumlichen Einheiten wie "Altes Land" oder administrativen Einheiten wie Kreise, Bezirke und Straße/Hausnummer. Künftig soll sie auch auf Anfragen wie "in welchem Stadtteil liegt die Koordinate xy?" antworten. Geplant sind zudem sicherheitsrelevante Dienste wie ein "zentrales Auskunftssystem Leitungstraßen" über eine Nutzer- und Rechteverwaltung bestimmten Nutzerkreisen zur Verfügung zu stellen.

Das Portal nutzt Daten aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg. Für die Kaskadierung der Dienste nutzt es Deegree2. "Trotz der eingeführten Standards gibt es noch Interoperabilitätsprobleme zwischen den einzelnen Webdiensten", berichtete Katharina Lupp. Für die kaskadierenden Dienste müssen die Hersteller alle dieselben Rahmenbedingungen erfüllen, um die syntaktische Integrität gewährleisten zu können. Auch gibt es noch Probleme mit der semantischen Interoperabilität. So verfügen die drei beteiligten Bundesländer über keine einheitlichen Zeichenvorschriften. Damit sind auch keine einheitlichen Datenmodelle und Legenden möglich. Für eine einheitliche Definition ist jedoch ein politischer Einigungsprozess nötig, der in nächster Zeit in Gang kommen soll. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)