EU-Abgeordnete beraten über Neustart bei Softwarepatenten

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments beschäftigt sich an den kommenden beiden Tagen mit der Thematik. Die Lobbyschlacht dauert bis zur letzten Minute.

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Am Mittwoch und am Donnerstag wird sich der Rechtsausschuss des EU-Parlaments mit Anträgen aus den Reihen der Grünen sowie eines Blocks 61 Abgeordneter beschäftigen, die auf einen kompletten Verfahrensneustart bei der Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" drängen. Wie bei jedem entscheidenden Schritt auf dem umkämpften Gebiet der Softwarepatente dauert auch dieses Mal die Lobbyschlacht bis zur letzten Minute an. Wohin die Parlamentarier selbst tendieren, ist noch unklar. "Es ist noch alles offen", war aus dem Büro der sozialdemokratischen österreichischen EU-Abgeordneten Maria Berger zu vernehmen.

Die Politikbeauftragten von Firmen wie Alcatel, Ericsson oder Nokia hatten in den vergangenen Tagen Rundmails an die Rechtsausschussmitglieder geschickt, in denen sie sich für eine rasche offizielle Verabschiedung der Position des EU-Rates stark machen und die Volksvertreter vom Wiederaufrollen des Verfahrens abhalten wollen. Selbst Microsoft-Vorstandschef Bill Gates war nach Brüssel geflogen, um mit Schlüsselfiguren aus dem Parlament unter anderem über Softwarepatente zu reden.

Derlei Bemühungen hat sich der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) jetzt noch mit einem auf seiner Website publizierten Brief an die Abgeordneten entgegengestellt. Darin verweist er auf den "Propagandablitzkrieg" der "Patentindustrie", der die größtenteils neu gewählten Volksvertreter mit einer "Falschinformationskampagne atemberaubenden Ausmaßes" zu überfahren drohe. So verweise Siemens etwa auf die Notwendigkeit der Richtlinie in der Ratsversion zum Schutz medizinischer Erfindungen. Wenn man genau hinschaue, habe sich der Konzern mit entsprechenden Patentansprüchen auf verkleidete Geschäftsmethoden aber bereits Monopole über die Datenverarbeitung von Ärzten gesichert. Selbst wenn die Abgeordneten in der 2. Lesung der Legalisierung derlei Verfahren einen Riegel vorschieben würden, dürften sie sich spätestens im anschließenden Vermittlungsverfahren mit den Patentadvokaten aus dem EU-Rat verheddern. Deswegen sollten die Weichen auf Neustart gestellt werden.

Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und des europäischen Dachverbandes der nationalen Mittelstandsvereinigungen (CEA-PME), unterstützt das Anliegen des FFII. Seiner Ansicht nach wäre ein sauberer Schnitt "der Sache und dem Ansehen der europäischen Demokratie" dienlich. Im bisherigen Verfahren steckte seiner Ansicht nach "der Wurm drin, weil patentjuristische Dogmatik und die Interessen weniger Konzerne über jegliche wirtschaftspolitische Vernunft gestellt wurden". Insbesondere der Ratstext sei unter Dauerbeschuss gekommen und fände bei einer erneuten Abstimmung wohl kaum ausreichend Anhänger unter den Mitgliedsstaaten. Er würde eher zu einem Scheitern des Verfahrens oder einer "teuren Verschlechterung" führen als zu einer tragfähigen Lösung.

Erstmals hat sich auch eine Reihe namhafter Wagniskapitalgeber -- darunter mit Benchmark Capital ein früher eBay-Finanzier -- in den Streit eingemischt. Anders als beispielsweise in der Biotechnologie können ihrer Erfahrung nach die erfolgreichsten Investments in Softwareunternehmen nicht mit Patenten in Verbindung gebracht werden. Zum Schutz des "geistigem Eigentums" reiche das Urheberrecht bei Computerprogrammen aus. Softwarepatente würden dagegen allgemein die Markteintrittsbarrieren erhöhen und so Investoren sowie Unternehmer abschrecken, halten die Wagniskapitalgeber fest. Zudem würden "Open-Source-Geschäftsmodelle" für Geldgeber weltweit immer attraktiver. Hier könnten EU-Firmen punkten, wenn ihnen ein negatives Softwarepatentregime keinen Strich durch die Rechnung mache.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)