Japan beendet das Analog-TV

Seit Ende Juli gibt es in Nippon nur noch Digital-TV. Ein einwöchiger Selbstversuch zeigt, dass das Programm dadurch nicht schärfer geworden ist.

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Von
  • Martin Kölling

Seit Ende Juli gibt es in Nippon nur noch Digital-TV. Ein einwöchiger Selbstversuch zeigt, dass das Programm dadurch nicht schärfer geworden ist.

In Japan ist eine Epoche des Fernsehzeitalters zu Ende gegangen. Am 24. Juli, Punkt 12 Uhr mittags, wurde in fast ganz Japan die analoge TV-Ausstrahlung abgeschaltet. Nur in der von Erdbeben, Tsunami und der Atomkatastrophe gebeutelten Nordostregion des Landes wurde die Abschaltung um ein paar Monate verzögert. Die Aktion war ein Musterbeispiel für eine gute Vorbereitung.

Seit Jahren haben die Regierung, die Fernsehsender und die Elektronikkaufhäuser die Menschen durch Werbeeinblendungen und andere Methoden auf den Tag X vorbereitet. In den letzten Monaten gab es sogar Beratungsstellen, die verunsicherte Technikbanausen, Schluffis und Deadline-Junkies in Sachen Umstieg berieten. Das war ein gutes Geschäft für Japans TV-Hersteller, denn in der Regel bedeutete dies den Kauf eines neuen Flachfernsehers. Unterstützt wurde dieser Boom während der Finanzkrise noch durch ein Öko-Punkte-System, das den Kauf solcher Geräte bezuschusste. Auch ich habe mir erstmals in meinem Leben so ein Teil angeschafft, nur 32 Zoll klein, aber ich wollte das Trum ja noch ins Regal stellen können.

Doch nun, nach der Umschaltung, werden die Folgen sichtbar. TV-Absatz? Sackt ab, in der ersten Woche nach der Abschaltung um 30 Prozent unter das Vorjahresniveau. Entsorgung? Ein Riesenproblem. Dieses Jahr müssen 22 Millionen alte Flimmerkisten und ihre bleihaltigen Bildröhren umweltgerecht zerlegt werden. Das wird die Recyclinghöfe, selbst die bereits teilweise automatisierten Sortierstellen, eine zeitlang auslasten, bis das Rinnsal von alten Flach-TVs zu einem neuen Müll-Strom anwächst. Und vor allem das wichtigste: Programmqualität? Null Veränderung. Aber die Bedienfreundlichkeit der neuen Fernseher ist um so vieles höher – inklusive der nun massiven Ausdehnung von internetfähigen TVs.

Japans Technikenthusiasten feiern den Wechsel daher bereits. Die Verschmelzung von Internet und TV werde nun noch beschleunigt, orakelte die Wirtschaftszeitung Nikkei. Denn die Fernsehsender beginnen damit, die technischen Möglichkeiten der neuen Technik und des Web auszuloten. Japans öffentlich-rechtlicher TV-Sender NHK hat bereits im Frühjahr die Idee präsentiert, Veranstaltungen wie Baseballspiele im Split-Screen-Modus aufzuzeichnen und zu senden. So kann der Fan sowohl den Pitcher wie auch den Batter sehen und gleichzeitig Kommentare absetzen, die über den Bildern eingeblendet werden. Diese Idee eines Youtube-ähnlichen Dienstes mit eingeblendeten Kommentaren hat sich zuerst in Japan mit dem Videodienst Niconicodouga durchgesetzt. In drei Jahren sollen die ersten Fernseher auf den Markt kommen, die diese Technik unterstützen.

Das für mich größte Problem wird damit aber nicht behoben – der Preisunterschied zwischen Online- und DVD-Filmverleih. Während ich für DVDs im Laden für unter drei Euro glücklich werden kann, werden in den Onlineshops glatt ein bis zwei Euro mehr fällig. Ich denke, es hat mit der bisherigen relativen Monopolstellung der Online-Verleiher wie iTunes, dem von Japans Fernsehherstellern betriebenen Actvilla oder dem "Brick-and-Mortar"-Videoverleiher Tsutaya zu tun. Der Siegeszug des Netzes bei den Fernsehern selbst wird durch mehr Wettbewerb vielleicht für preiswerteren Filmverleih sorgen. Hoffe ich wenigstens. Wenn sich wenigstens die Preise im On- und Offline-Verkehr anpassen, haben wir japanischen Couch-Kartoffeln genug Geld für eine zusätzliche Packung Chips (68 Gramm für rund 1 Euro). (bsc)