Softwarepatentrichtlinie: EU-Parlament verlangt Neustart des Verfahrens

Die Koordinatoren des federführenden Rechtsausschusses haben den Parlamentspräsidenten gebeten, bei der EU-Kommission eine komplett neue Befassung mit dem ursprünglichen Vorschlag zu beantragen.

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Die Koordinatoren des federführenden Rechtsausschusses des EU-Parlaments haben heute Abend im Verfahren rund um die geplante Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" die Weichen nachdrücklich auf Neustart gestellt. "Wir haben praktisch einstimmig mit nur zwei Enthaltungen beschlossen, dass unser Präsident bei der Kommission eine Rekonsultation beantragt", erklärte SPE-Koordinatorin Maria Berger nach der rund dreistündigen Sitzung gegenüber heise online. Sobald Parlamentspräsident Josep Borrell Fontelles dem Drängen des Rechtsausschusses nachkommt, ist die Kommission aufgefordert, sich erneut mit der Richtlinie zu befassen. Konkret soll die Kommission ihren ursprünglichen Richtlinienvorschlag entweder noch einmal an das EU-Parlament übersenden oder einen neuen vorlegen.

Damit würde der Gesetzgebungsweg ganz von vorn beschritten. Die Abgeordneten stützen sich auf Artikel 55 der Geschäftsordnung des Europaparlaments. Er sieht eine erneute grundlegende Befassung der Abgeordneten mit einem Richtlinienvorschlag unter anderem vor, wenn sich die Art des behandelten Problems "entscheidend ändert" oder sich das Parlament nach Festlegung seines Standpunkts durch Wahlen neu konstituiert. Entsprechende Anträge hatten eine Gruppe von 61 Abgeordneten sowie die Grünen gestellt.

Der Rechtsausschuss hatte am Nachmittag zunächst gemeinsam mit Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy nach Auswegen aus der verfahrenen Situation gesucht. Der Ire hatte kürzlich die Verabschiedung der Gesetzgebung als noch ausstehende "Schlüsselmaßnahme" zur Stimulation von Innovation und Wettbewerb bezeichnet. Bei dem Treffen sprach McCreevy jetzt von einer "delikaten Angelegenheit". Die luxemburgische Ratspräsidentschaft habe inzwischen schriftliche Zusagen für das Abnicken der Position des Ministergremiums ohne weitere Aussprache während einer der nächsten Sitzungen erhalten. Naturgemäß sei aber ein "konstruktiver Dialog" zwischen Rat und Parlament für die Erreichung einer Übereinstimmung notwendig. In der Frage, ob die Kommission dem Begehr nach einem Neuanfang nachkommen werde, wollte er sich nicht festlegen. Er betonte, dass "alle Optionen offen" seien. Gleichzeitig sagte er, dass die Richtlinie an sich wichtig sei, da alles andere zu einer "beträchtlichen Rechtsunsicherheit" führe.

Der EU-Rat selbst ist mit seiner im Mai ausgehandelten Position in eine Sackgasse geraten, da diese nach Auffassung von Ländern wie Polen die Patentierbarkeit von Computerprogrammen nicht ausreichend begrenzt. Die Regierung des neuen Beitrittslands hat daher bereits mehrfach das Abnicken des Standpunkts des Ministergremiums verhindert. Aber auch Dänemark hat vergangene Woche die offizielle Verabschiedung der Ratsposition noch einmal blockiert.

Hartmut Pilch, Vorstand des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), machte gegenüber heise online klar, dass er für eine Überarbeitung der Ratsposition durch das Ministergremium ist. Sollte der Rat seine Haltung jedoch nicht ändern, sei der jetzt eingeschlagene Weg für einen Neustart die zweitbeste Lösung. Die Österreicherin Berger freut sich insbesondere, dass "wir wieder Bewegung in die Sache gebracht haben. Wir müssen letztlich zu einer Gesetzgebung kommen, die näher am Standpunkt des Parlaments als an der Ratsposition ist". Die EU-Abgeordneten hatten im September 2003 in 1. Lesung eine Richtlinienversion vorgelegt, die Softwarepatenten einen Riegel vorschieben würde. Auch für ihre Landsfrau, die Grüne Eva Lichtenberger, ist die jetzige "mutige" Initiative des Ausschusses "ein guter Anfang, aber noch nicht das glückliche Ende in der Frage der Patentierung von Software."

Der Parlamentsberichterstatter für die Richtlinie, der französische Sozialist und Ex-Premier Michel Rocard, hat sich allerdings gegen einen Neustart ausgesprochen. Er befürchtet, dass die Änderungen aus der 1. Lesung so verloren gehen könnten und eine insbesondere für den Mittelstand noch schädlichere Richtlinie kommen oder das Verfahren völlig eingestellt werden könnte. Auch Piia Noora Kauppi, Schattenberichterstatterin für die Volkspartei, hatte zunächst Zweifel an einer erneuten 1. Lesung geäußert. Letztlich lenkte sie aber ein, da es ihrer Ansicht nach momentan keinen anderen Ausweg gibt.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)