IT-Gipfel: Dialog soll auf "hochrangiger Ebene" fortgeführt werden
Die Bundesregierung prüfe durchaus, "über welche innovativen Instrumente die Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen in die nationale politische Diskussion zur Informationsgesellschaft Deutschland weiter verbessert" werden könne.
Der mit dem Potsdamer IT-Gipfel begonnene Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft soll in diesem Jahr auf "hochrangiger Ebene" fortgeführt werden. Das schreibt das Wirtschaftsministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Grietje Bettin. Ein erster Zwischenbericht zu Fortschritten bei dem im Dezember in Potsdam beschlossenen 12-Punkte-Programm sollen Politik und Wirtschaft bei der CeBIT vorstellen, zum Folgegipfel im kommenden Herbst sollen wiederum Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenkommen.
Die von den Grünen aufgeworfene Frage nach einer Beteiligung zivilgesellschaftlicher Gruppen tut die Antwort ab: "Zivilgesellschaftliche Aspekte" hätten beim ersten nationalen IT-Gipfel "nicht im Fokus" gestanden. Bettin hatte mit der vor dem Gipfel gestellten, aber erst danach beantworteten Anfrage unter anderem moniert, dass Parlament, Nichtregierungsorganisationen, kleine und mittlere Unternehmen sowie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz beim IT-Gipfel nicht einbezogen worden waren. Mittelständler seien allerdings an den Vorbereitungen des Gipfels durchaus beteiligt gewesen, heißt es in der Antwort der Bundesregierung.
Übrigens prüfe die Bundesregierung auch, "über welche innovativen Instrumente die Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen in die nationale politische Diskussion zur Informationsgesellschaft Deutschland weiter verbessert" werden könne. Man bekenne sich sehr wohl zu dem beim UN-Weltgipfel der Informationsgesellschaft verabschiedeten so genannten "Multistakeholder-Prinzip". Damit ist die gleichberechtigte Teilnahme von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, also den jenseits von Parteien, Unternehmen und Behörden organisierten Gruppen, bei Diskussionen und Entscheidungen zur Gestaltung der Informationsgesellschaft gemeint. Genau darauf aber hat die Bundesregierung nach Ansicht deutscher Nicht-Regierungsorganisationen und einer Reihe von Abgeordneten beim IT-Gipfel in Potsdam verzichtet.
Im Übrigen gibt das Wirtschaftsministerium bei der Beantwortung der Anfrage eine Reihe von Informationen zu anstehenden nationalen und mit der angelaufenen EU-Präsidentschaft verknüpften Projekten im Bereich IT-Politik. Bei der im Aufbau befindlichen Geodateninfrastruktur (GDI-DE), die sich aus den Bausteinen "Nationale Geodatenbasis", "Geodaten-Dienste", "Standards" und "Netzwerke" zusammensetze, bekenne man sich zu einem Modell der kostenfreien Nutzung von Such- und Visualisierungsdiensten über Portale des Bundes, der Länder und Kommunen. Man habe sich dabei auch an der geplanten einschlägigen EU-Richtlinie (INSPIRE) orientiert. Für den Download der Geodaten zur kommerziellen Weiterverwendung gebe es allerdings eigene Regeln, nämlich die im Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG).
Mit einer Feinkonzeption der von der Regierung in ihrem Informations- und Telekommunikationstechnik-Programm iD2010 angekündigten Bürgerportale, nach denen Bettin ebenfalls gefragt hatte, will man Anfang 2007 beginnen. Mit diesen Portalen sollen Privatnutzer, Unternehmen und Behörden "einen Ort im Netz erhalten, von dem aus sie einfach, sicher und nicht-anonym kommunizieren können". Im Bereich der Beteiligung über elektronische Medien findet sich die Bundesregierung schon ganz gut: "Auf den Webseiten vieler Bundesministerien werden Diskussionsforen angeboten, regelmäßig sind Mitglieder der Bundesregierung im Chat 'zu sprechen'." Trotzdem will man zur weiteren Erforschung der "E-Partizipation" in diesem Jahr einem Forschungsauftrag vergeben. Im Forschungsprogramm "voteremote" schließlich soll bis 2008 eine prototypische Wahlplattform für sichere Online-Wahlen von beliebigen Internetzugängen aus erprobt werden, erst einmal aber nur für nicht-parlamentarische Wahlen.
Im Rahmen der EU-Präsidentschaft will man sich laut der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage sehr für den Bereich Jugendschutz und die weitere Entwicklung der RFID-Technologie einsetzen. Zu beiden sind Konferenzen während der Präsidentschaft geplant. Das Thema RFID gehört auch zu dem beim nationalen IT-Gipfel diskutierten und zur Weiterarbeit bestimmten Schwerpunktthemen, allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt Verbraucherfreundlichkeit. Genau da dürften die Gipfel-Kritiker einhaken und fragen, ob eine Debatte über RFID unter Verzicht auf die datenschutzrechtlichen Fragen eigentlich sinnvoll sein kann. In der Tat räumt das Wirtschaftsministerium ein, dass man dem Daten- und Verbraucherschutz eine wichtige Rolle hinsichtlich der zukünftigen Akzeptanz von RFID-Anwendungen einräumt. Bei der EU-Expertenkonferenz zum "Internet der Dinge" und bei der geplanten "nationalen Dialogplattform RFID" soll der Daten- und Verbraucherschutz auf jeden Fall mitdiskutiert werden. Vielleicht gesellen sich dann beim nächsten IT-Gipfel im Herbst auch ein paar "hochrangige Experten" dazu ins Gipfelpublikum.
Siehe zum IT-Gipfel der Bundesregierung auch:
- Potsdamer Initiative für den IKT-Standort Deutschland, Abschlusserklärung des "Nationalen IT-Gipfels"
- Erklärung der Bundesregierung zum Abschluss des IT-Gipfels mit Ergebnissen der Arbeitsgruppen
- IT-Gipfel der Bundesregierung erntet kaum gute Noten
- Leuchtturmprojekte, Wachstumsfelder und gute Vorsätze
- Quaero heißt jetzt Theseus
- "Deutschland muss Hightech-Standort bleiben"
- Milliardenförderung für IT-Branche
- Bundesdatenschützer kritisiert IT-Gipfel
- Kleine Schnellboote, nicht nur große Tanker
- Bitkom sieht Biometrie, DRM und SOA als Zukunftfelder der IT-Wirtschaft
- Grüne kritisieren IT-Gipfel der Bundesregierung
- Mehr Offenheit gefordert
- Mehr repräsentieren als diskutieren
- Bundesregierung legt Richtlinien für IT-Politik fest
- Merkel will IT-Wirtschaft und Politik vernetzen
(Monika Ermert) / (jk)