Informatikerverein fordert klare Begrenzung der Vorratsdatenspeicherung

Die Gesellschaft für Informatik will die pauschale Überwachung der Internet-Nutzerspuren auf sechs Monate und den Zugang der Strafverfolger zu den Datenhalden auf schwere Straftaten beschränkt wissen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 65 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) will die umstrittene verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten auf sechs Monate beschränkt wissen. Strafverfolger sollen zu den Datenhalden zudem nur im Fall der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung "schwerer Straftaten" Zugang haben. Nachrichtendienste will die GI vom Schürfen in den Datenbergen abhalten. Weiter pocht der Verein darauf, dass Informationen über Personen wie Ärzte, Notare, Anwälte oder Journalisten, die von besonderen Berufsgeheimnissen geschützt sind, von der Vorratsspeicherung gänzlich auszunehmen sind.

Der Informatikerverbund möchte der Umsetzung der vom EU-Parlament beschlossenen Jagd nach den elektronischen Nutzerspuren damit deutlich stärker begrenzen als der Bundestag. Dieser drängt mit der Mehrheit der Großen Koalition darauf, Sicherheitsbehörden auch bei der Verfolgung aller "mittels Telekommunikation begangener" Straftaten an die Daten heran zu lassen.

Die heftig umstrittene Brüsseler Richtlinie will Telekommunikationsanbieter dazu verdonnert wissen, Verbindungs- und Standortdaten pauschal über einen Zeitraum zwischen sechs und 24 Monaten hinweg aufzubewahren. Die GI spricht sich in ihrer Stellungnahme (PDF-Datei) für eine Umsetzung der Direktive aus, die ihrer Ansicht nach "im Rahmen der verbleibenden Spielräume einen angemessenen Ausgleich zwischen Strafverfolgungsinteressen und Grundrechtsschutz gewährleistet". Der Begriff "schwere Straftaten" soll dabei über eine Kopplung an den Straftatenkatalog in Paragraph 100a der Strafprozessordnung (StPO) klar umrissen werden. Weiter macht sich der Verein gemeinsam mit dem Parlament dafür stark, dass den zur Vorratsdatenspeicherung Verpflichteten "eine angemessene Entschädigung für die zusätzlichen Kosten" zu bezahlen ist.

GI-Präsident Matthias Jarke gab gleichzeitig seiner Erwartung an die Bundesregierung Ausdruck, "dass sie bei einem solch sensiblen Thema wie der Speicherung und Weiterleitung persönlicher Daten ihrer Bürger Augenmaß bewahrt und nur das in nationales Recht umsetzt, was die EU-Richtlinie fordert". Deutschland dürfe auf dem Gebiet der Einschränkung von Grundrechten wie der informationellen Selbstbestimmung nicht über das von Brüssel beschlossene Mindestmaß hinausgehen.

Die GI erfüllt allgemein mit Sorge, dass durch die Richtlinie zum ersten Mal allgemeine rechtsstaatliche Prinzipien verlassen worden seien. Sie verweist darauf, dass für staatliche Überwachung bislang nur die Daten zur Verfügung stehen, "die für den Normalfall des Angebots und der Nutzung von Kommunikationsdiensten erforderlich sind". Besonders gravierend erachtet der Verein den Paradigmenwechsel, "da die Informationsgesellschaft zunehmend in den Anwendungsbereich der Richtlinie hinein wächst. Immer mehr Lebensbereiche würden von Kommunikationsdiensten unterstützt und damit auch von der pauschalen Überwachungsmaßname erfasst. In einer Welt allgegenwärtiger Datenverarbeitung, warnt die GI, könnte "letztlich nahezu das gesamte Leben aus den Daten der Vorratsspeicherung rekonstruiert werden."

Aus ähnlichen Befürchtungen heraus haben zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen für den kommenden Samstagnachmittag zu einer Demonstration gegen die "drohende Totalüberwachung" und den "Sicherheitswahn" aufgerufen. Die Kundgebung, die sich für den Erhalt der Freiheitsrechte einsetzt, soll um 14 Uhr am Alexanderplatz in Berlin losgehen. Den Anstoß zu der Demo gab der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, der sich vor allem gegen die Überwachung der elektronischen Datenschatten der 450 Millionen EU-Bürger wendet.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)