Vorratsdatenspeicherung: Berlin weist Forderungen aus Brüssel zurück

Die Bundesregierung sorgt sich nicht aufgrund eines drohenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens wegen einer mangelnden Regelung zur Protokollierung von Nutzerspuren, während das BKA weiter Druck für die erneute Einführung der Vorratsdatenspeicherung macht.

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Die Bundesregierung macht sich keine Sorgen aufgrund eines drohenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens wegen einer mangelnden Regelung zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten. Die EU-Richtlinie zur verdachtsunabhängigen Protokollierung von Nutzerspuren sei sehr wohl "im deutschen Recht teilweise umgesetzt", heißt es laut einem Bericht des "Focus". Die Bundesregierung reagiert mit dieser Antwort auf den blauen Brief aus Brüssel vom Juni. Außerdem zitiert die Regierung Bedenken des EU-Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx an den EU-Vorgaben, wonach die Maßnahme "weniger in die Privatsphäre eingreifend hätte geregelt werden können".

Deutschland werde diese Einwände bereits "im Vorgriff auf eine künftige Neuregelung" in die Pläne für eine hiesige Bestimmung einfließen lassen, heißt es in dem Schreiben weiter. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und ihr Kollege im Innenressort, Hans-Peter Friedrich (CSU), führen seit geraumer Weile Gespräche über einen neuen Anlauf zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, nachdem das Bundesverfassungsgericht das ursprüngliche Gesetz 2010 gekippt hatte. Die Liberale hat dafür einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ein Einfrieren von Telekommunikationsdaten gemäß dem "Quick Freeze"-Verfahren in konkreten Verdachtsfällen und eine siebentägige pauschale Speicherung von Internet-Verbindungsdaten vorsieht. Der CDU/CSU-Fraktion geht dieser Ansatz aber nicht weit genug.

Die EU-Kommission selbst überprüft derzeit die Direktive. Sie war im Frühjahr in einem Bewertungsbericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Richtlinie von den Mitgliedsstaaten sehr willkürlich in nationales Recht gegossen worden sei und eine Harmonisierung noch in weiter Ferne stehe. Trotzdem hält die Brüsseler Regierungseinrichtung die anlasslose Aufzeichnung der Nutzerspuren weiter für "notwendig als Werkzeug für die Strafverfolgung, den Opferschutz und das Strafrechtssystem".

Auch der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, drängt weiter auf eine rasche Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Der Sozialdemokrat habe der Bundesregierung jüngst das Ergebnis einer Fahndung nach mutmaßlichen Mitgliedern eines internationalen Kinderporno-Rings präsentiert, meldet der "Spiegel". Dieser sei Anfang August in den USA aufgeflogen. Laut der Auswertung habe das FBI dem BKA die IP-Adressen von 15 aus Deutschland stammenden Verdächtigen mitgeteilt. Die Wiesbadener Polizeibehörde habe aber in keinem Fall ermitteln können, wer sich hinter den Adressen verberge. Dies habe daran gelegen, dass die Provider die Verbindungsdaten bereits gelöscht hätten. Kritiker der Vorratsdatenspeicherung sind dagegen der Ansicht, dass die immer wieder von Ermittlern vorgebrachten Einzelfälle die Notwendigkeit einer Kompletterfassung der Nutzerspuren nicht belegen. Eine Vorratsdatenspeicherung erhöhe weder die Aufklärungsquote, noch reduziere sie die Zahl der begangenen Straftaten. (jk)