Die Woche: Linux ohne Java?

Aus der Open-Source-Welt gab es Kritik an Oracles Entschluss, die Lizenz zurückzuziehen, die Distributoren die Verteilung von Oracle-Java erlaubte. Trotz dieses Schritts wird sich für die Benutzer fast nichts ändern.

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Von
  • Andrea Müller

Ohne viel Tamtam hat Oracle die "Operating System Distributor License for Java" (DLJ) aufgekündigt. Diese 2006 von Sun ins Leben gerufene Lizenz erlaubte es Linux- und Solaris-Distributoren, Sun-Java zu paketieren und online sowie auf Installationsmedien zu verteilen. Das sollte die Verbreitung von Suns Java-Implementierung unter Linux fördern. Kurz zuvor hatte das Unternehmen Java auf der Konferenz JavaOne als Open Source freigegeben. Die freie Variante, das OpenJDK, das heute viele Distributoren standardmäßig installieren, steckte damals noch in den Kinderschuhen und ein Großteil der Java-Anwendungen lief nur mit dem Sun-Java, nicht aber mit dem OpenJDK.

In den folgenden Jahren mauserte sich das OpenJDK und die dort einfließenden Änderungen dienten als Basis für Updates des Sun-Java- und später Oracle-Java-Pakets. Bei vielen Distributionen wie Ubuntu und Mandriva landet heutzutage per default das OpenJDK auf der Festplatte. Bei den meisten Anbietern findet man in den Repositories aber nach wie vor das Paket sun-java – und es wird auch noch gerne genutzt: So übersteigen die Installationen des sun-java-Pakets sowohl beim Debian Popularity Contest als auch beim Ubuntu Popularity Contest die des OpenJDK. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass inzwischen zwar die meisten, jedoch längst nicht alle Java-Programme und -Applets mit dem OpenJDK fehlerfrei laufen.

An diesem Punkt entzündet sich auch die Kritik der Community an Oracles Entscheidung. Nach der Ankündigung des Unternehmens auf der DLJ-Projektseite hatte Sylvestre Ledru, Debian-Maintainer des Pakets sun-java, bei dem Oracle-Mitarbeiter Dalibor Topic nach den Gründen gefragt. Dieser nahm in seinem Blog Stellung und erklärte, die Nachfrage nach Sun-Java sei aufgrund der Entwicklung des OpenJDK in den letzten Jahren zurückgegangen, sodass keine Notwendigkeit mehr bestünde, Sun-Java weiterhin unter der DLJ anzubieten – die Nutzer könnten problemlos mit dem OpenJDK arbeiten.

Dass dem nicht so ist, zeigen diverse Nutzerkommentare in Foren und zu Ledrus Posting. So berichten mehrere Anwender, dass das Java-Applet zum Online-Banking bei der Raiffeisen-Bank nur mit dem Oracle-Java, aber nicht mit dem OpenJDK funktioniert. Ein anderer Nutzer verweist auf das Programm ReplicatorG, bei dem das OpenJDK beim 3D-Rendering versagt

Nun wird Oracle sein Java aber nach wie vor kostenfrei für Linux anbieten – allerdings nur auf der offiziellen Oracle-Website, von der auch Windows-Nutzer Java installieren. Für die Benutzer ist das zwar umständlicher als die Installation über die Paketverwaltung der Distribution, doch gerade Distributionen, die sich Benutzerfreundlichkeit auf die Fahnen geschrieben haben, werden sich wahrscheinlich des Problems annehmen. Die Lösung könnte beispielsweise ein Paket "sun-java-installer" sein, das ähnlich wie das Paket für den Adobe-Flash-Player nur den Download der Software von der Hersteller-Website und die Installation anstößt.

Bei Debian ist das nach Aussage Ledrus jedoch eher unwahrscheinlich: Er sieht die Aufkündigung der Lizenz durch Oracle als Gelegenheit, das OpenJDK zu verbessern. Wenn die Distributoren dabei an einem Strang ziehen, könnte Oracles unpopuläre Entscheidung den Ausschlag dafür geben, dass künftig tatsächlich keine Nachfrage nach dem Oracle-Java mehr besteht. (amu) (amu)