RoboCup-WM: Humanoide auf dem Weg zur Dynamik

Die Menschenähnlichen machen Fortschritte: Sie werden schneller, lernen selbst aufzustehen und zusammen zu spielen.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Angela Meyer
  • Johannes Endres

Die Vorrunden sind vorbei, in den meisten Ligen laufen heute am Samstag die Viertel- und Halbfinale; Spannung wie Publikumsinteresse steigen beim RoboCup in Bremen spürbar an: 33 neue Weltmeister werden am Sonntag nachmittag bei der Siegerehrung feierlich gekürt werden. Bei neun Ligen gibt es viele Hoffnungen, wenigstens einen der Titel zu erringen. Auch die Darmstadt Dribblers sind mit dem erklärten Ziel angetreten, dieses Mal den bisherigen Favoriten in der Humanoid-Liga den einen oder anderen Titel abzujagen. Bisher musste der Weltmeister Team Osaka nur die Konkurrenz von NimbRo aus Freiburg fürchten. Bei den 2-gegen-2-Spielen folgte ihnen 2005 auf dem dritten Platz das Team Hajime. Auch die Darmstädter schlugen sich nicht schlecht, mussten sich bisher aber mit den Titelerfolgen in der Four-Legged-Liga begnügen, wo sie im vergangenen Jahr als Teil des German Team Weltmeister wurden.

Inzwischen setzen die Darmstädter auch bei den Humanoiden auf Kooperation: Seit Dezember 2005 arbeiten sie gemeinsam mit dem Japaner Hajime Sakamoto an dem von ihm entwickelten Mr. DD HR18 weiter. Eine verbesserte Version dieses Roboters ist die Basis für den Kidsize-Stürmer Bruno, mit dem die Darmstadt Dribblers & Hajime Team nun gemeinsam angetreten sind. Im Mai 2006 errang Bruno auf Anhieb den Preis für den besten Humanoiden bei den Japan Open und verpasste nur knapp den ersten Platz im Elfmeterschießen mit einer 2:3-Niederlage im Finale gegen den amtierenden Weltmeister Team Osaka.

Bruno Labadia, der frühere Stürmer in der menschlichen Nationalmannschaft, dem es bisher als einzigem gelang, in der ersten und zweiten Bundesliga jeweils mehr als 100 Tore zu schießen, ist Namensgeber für den Newcomer, der beim RoboCup mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 Zentimetern pro Sekunde der bisher schnellste Humanoide ist. Bei einem Wettlauf quer über den Center Court ist er während der Vorrunden sogar gegen die Favoriten unter den Aibos angetreten. Obwohl er gegen Ende der Strecke etwas die Orientierung verloren hat und von der kürzesten Linie abwich, wurde er immerhin Fünfter. Das ist noch kein Sieg und bei der Revanche ist Bruno dann doch auf halber Strecke gestürzt, aber es ist inzwischen leichter vorstellbar, dass zumindest die kleinen Humanoiden mit 30 bis 60 cm Größe in absehbarer Zeit eine recht sichere Beweglichkeit erlangen werden. Schießen, ohne jedes Mal umzufallen, aufstehen aus beliebigen Positionen, laufen über unebenes Gelände sind aber immer noch Fähigkeiten, die es auch bei den Kidsize-Robotern nur bei den Favoriten zu sehen gibt, ebenso wie erste Ansätze zu einem echten 2-gegen-2-Spiel. Die Teensize-Roboter, die zwischen 65 und 130 cm hoch sein dürfen, kämpfen bisher noch vor allem mit ihrem Gleichgewicht. In dieser Klasse liegen zwischen dem kleinsten und dem größten Roboter Welten: Als der 40 Kilogramm schwere und 130 Zentimeter große Roboter vom Team Pal Technologies aus den Vereinigten Arabischen Emiraten beim Lauf quer über das Feld stürzte, platzte gleich ein Stück von der Kopfverkleidung ab. Bei den kleineren Konkurrenten treten nicht annähernd solche Kräfte auf.

Mit jeder Veränderung in der Hard- oder Software, auch einer positiven, können neue Probleme auftauchen. So kann eine zunehmende Beweglichkeit bei den Humanoiden besonders starke Auswirkungen auf das Sehen haben: Bruno ist der einzige Humanoide beim RoboCup, der über gerichtetes Sehen verfügt, das dem des Menschen ähnelt. Mit einer dreh- und neigbaren Kopfkamera mit einem sehr kleinen Blickwinkel, aber relativ hoher Auflösung kann er gut fokussieren, um den Ball sicher zu erkennen. Eine zweite, starre Kamera in der Brust mit einem Blickwinkel von 100 Grad bildet etwas unschärfer die Umgebung ab. Diese Kamera ist erst vor wenigen Wochen dazugekommen, weil Bruno inzwischen so schnell läuft, dass er mit der Kopfkamera alleine nicht mehr auskommt. Das bedeutete auch, dass die stochastischen Verfahren zur Bildauswertung, die von den ebenfalls gerichtet sehenden Aibos übernommen wurden, für zwei verschiedene Kameras, die mit unterschiedlichen Bildraten laufen, angepasst werden mussten.

Ob diese Anpassung wirklich gelungen ist, stellt sich dann erst auf dem Spielfeld heraus: Roboter, die im Labor wunderbar funktioniert haben, können plötzlich wieder völlig scheitern -- und ihr Team mit ihnen. So führte ein veränderter Nullstand der Gelenke, die bei Bruno Kopf und Brust bewegen, zu einer Abweichung von 9 Grad, sodass der Roboter den Ball immer etwa 10 bis 15 Zentimeter weiter vorne vermutete, als er tatsächlich lag. Statt den Ball zu holen und in Richtung auf das Tor zu kicken wie im Labor, schlurfte Bruno nur recht undynamisch über das Feld und schubste den Ball dabei vor sich her.

Die ersten Ansätze für ein Zusammenspiel beim 2-gegen-2-Spiel gab es in den Vorrunden dann doch nicht zu sehen, weil die WLAN-Verbindung, über die die Roboter ihre Koordinaten austauschen, zusammengebrochen war. Generell schwierig ist auch, dass die kleinen Humanoiden mit der Rechenleistung eines PocketPCs auskommen müssen. Dadurch hat der Torwart erheblich weniger als 30 Bilder pro Sekunde zur Verfügung.

So gibt es in der Humanoid-Liga gegenüber dem Vorjahr zwar durchaus Fortschritte, aber die 2005 in Osaka geäußerte Hoffnung von Hans-Dieter Burkhard, Vizepräsident der International RoboCup Federation, bei der RoboCup-WM in Bremen Spiele mit drei humanoiden Robotern pro Team veranstalten zu können, hat sich noch nicht erfüllt. Trotz aller Schwierigkeiten ist aber unverkennbar, dass die Humanoiden im Kommen sind: In diesem Jahr starten 17 Teams in der Kidsize, immerhin fünf in der Teensize. Damit haben sie zusammen bereits die Teamanzahl in der Small-Size- und 2D-Simulations-Liga überholt. Von echter Dynamik, wie sie in der Simulation und bei den rollenden Robotern schon seit langem selbstverständlich ist, sind die Humanoiden aber noch weit entfernt -- und werden es wohl auch noch ein Weilchen bleiben. Wenn, wie bereits für dieses Jahr diskutiert, 2007 kein omnidirektionales Sehen mehr erlaubt sein sollte, werden fast alle Teams mit neuen Designs antreten müssen: So benutzt Team Osaka noch wie in der Middle-Size-Liga eine omnidirektionale Kamera und NimbRo erreicht eine Fast-Rundumsicht durch zwei entgegengesetzt gerichtete Kameras. Sollte der Blickwinkel tatsächlich auf etwa 180 Grad beschränkt werden, ist dann nächstes Jahr in Atlanta vielleicht Bruno der einzige Humanoide, der seine Kinderkrankheiten bereits hinter sich hat.

Zu den RoboCup-Wettbewerben und der zugehörigen Forschung siehe:

  • Mehr als nur Fußball, RoboCup-WM wird erstmals in Deutschland ausgetragen, c't 13/06, S. 98
  • KI auf dem Fußballfeld, Praktische Forschung bei der RoboCup-Weltmeisterschaft, c't 13/06, S. 102

Zur diesjährigen RoboCup-WM und den begleitenden Veranstaltungen:

Zur RoboCup-WM 2005:

Zur RoboCup-WM 2004:

Siehe zu dem Thema Robotik auch das c't-Roboterprojekt:

(anm/c't) (je)