Richtungsweisend
Das Kontrastverhalten eines Displays – gerade bei unterschiedlichen Einblickwinkeln – ist eine der wichtigen Kenngrößen bei der Beurteilung seiner Qualität. Sie zu beziffern erfordert üblicherweise recht aufwendige Messungen. Die lassen sich mithilfe eines kamerabasierten Messverfahrens deutlich vereinfachen.
- Dieter Michel
Welches Display sich wie gut für welche Anwendung eignet, lässt sich meist an messbaren Kriterien festmachen. Zu den wichtigsten zählt der Kontrast, da er einen großen Einfluss auf die Lesbarkeit von Texten und die realistische Wiedergabe von Fotos und Videos hat. Neben dem altbekannten Fullscreen-Kontrast sind aber auch weitergehende Merkmale wie das Kontrastverhalten unter Fremdlichteinfluss und die Abhängigkeit des Kontrasts vom Einblickwinkel von Bedeutung.
Bei LCDs sorgt deren Basistechnik selbst für eine recht ausgeprägte Winkelabhängigkeit. Zugleich bemühen sich die Hersteller jedoch, mit unterschiedlichen Techniken diese Winkelabhängigkeit je nach Einsatzzweck des Displays mehr oder weniger stark zu vermindern. Um beurteilen zu können, ob ein LC-Display für die geplante Anwendung ein ausreichend winkelunabhängiges Kontrastverhalten zeigt, muss man den Displaykontrast in Abhängigkeit vom Einblickwinkel messen.
In vielen Fällen genügt die Kenntnis des Kontrastverlaufs in horizontaler und vertikaler Richtung, etwa um zu beurteilen, ob mehrere nebeneinander sitzende Personen eine vergleichbare Bildqualität zu sehen bekommen. Das vollständige Bild zeigt aber nur eine Messung, die den gesamten Raumwinkelbereich vor dem Display erfasst.
Eine solche Messung kann man sozusagen „zu Fuß“ durchführen, indem man in einem vorgegebenen Winkelraster – etwa in 10°-Schritten – jeweils eine Kontrastmessung mit dem entsprechenden Azimut (Horizontalwinkel) und Elevations- oder Vertikalwinkel durchführt. Das ist die sogenannte goniometrische Methode (aus dem altgriech. „gonia“ (Winkel) und „métron“ (Maß)), die allerdings sehr viele Messungen und demzufolge einen relativ großen Zeitaufwand erfordert. Mit einer geeigneten mechanischen Vorrichtung wird entweder das Photometer (Lichtmessgerät) oder das Display selbst auf den jeweils gewünschten Azimut und Elevationswinkel eingestellt, die Messung durchgeführt und anschließend die nächste Winkelkombination angefahren. Der Vorteil dieses zeitraubenden Verfahrens ist, dass man mit hochwertigen Leuchtdichtemessgeräten arbeiten und sogar Spektralmessungen durchführen kann. Auf der Sollseite stehen der relativ hohe mechanische Aufwand für das Goniometer und der Zeitbedarf für eine komplette Messung, während derer sich die Kontrasteigenschaften des untersuchten Displays selbstredend nicht ändern sollten.
Eine alternative Messmethode besteht darin, mit einem kamerabasierten System sozusagen den kompletten infrage kommenden Raumwinkelbereich mit einer Messung zuerfassen. Dazu ist es erforderlich, die interessierenden Messwinkel mit einem geeigneten optischen System so auf den Sensor des Kameramesssystems abzubilden, dass bei der späteren Auswertung eine Zuordnung eines Sensorpixels zu einer Einblickrichtung beziehungsweise Winkelkoordinate (Azimut und Elevationswinkel) möglich ist. Der Bildsensor der Kamera ist durch eine geeignete Filterung an die Hellempfindlichkeitskurve des menschlichen Auges angepasst und liefert nach entsprechender Kalibrierung für jedes Bildpixel Leuchtdichtewerte, die direkt für eine Kontrastberechnung herangezogen werden können. Für eine direkte Messung des winkelabhängigen Displaykontrasts benötigt man also noch ein optisches System, das (Einblick-)Winkel zum Beispiel in Bildhöhe – also Abstand des Bildpunkts von der Mitte des Sensors – umsetzt.
Ein Punkt fĂĽr alle
In der Displaymesstechnik benutzt man für diesen Zweck häufig hyperzentrische Spezialobjektive, die den gesamten, von einem Messfleck ausgehenden Lichtkegel in einem durch die Objektivkonstruktion begrenzten Raumwinkelbereich erfassen. Aufgrund dieser Eigenschaft werden diese Objektivkonstruktionen auch konoskopische Objektive genannt (aus dem altgriechischen „konos“ (Kegel) und „skopein“ (ansehen, betrachten)). Am einfachsten kann man sich ein konoskopisches Objektiv als eine Art inverses Fischauge vorstellen, das nicht mit einem Bildwinkel von 180° nach außen schaut und den gesamten Halbraum erfasst, sondern sozusagen nach innen blickt und mit einem ebenfalls großen Bildwinkel – je nach Objektiv 100° bis fast 180° – beinahe das gesamte von einem Messfleck ausgehende Licht erfasst (siehe Abbildung 1).
Die durch die optische Konstruktion dieser Objektive implementierte Abbildungsvorschrift liefert eine eindeutige Umsetzung des Elevationswinkels (Winkel bezogen auf die optische Achse) auf die Bildhöhe, der Azimuth bleibt auch in der Abbildung direkt erhalten.
Daraus ergibt sich auf dem Kamerasensor ein in aller Regel kreisrundes Abbild der Helligkeitsverteilung unter den erfassten Einblickwinkeln. Aus zwei Messungen bei weißem und schwarzem Bildschirm kann man so direkt den winkelabhängigen Kontrast berechnen und zum Beispiel als farbcodierte Werte in einer 2D-Grafik darstellen. Ausgehend von dem dergestalt vermessenen Fleck ist eine Aussage für die gesamte Bildschirmfläche dann möglich, wenn man davon ausgehen kann, dass sich alle Bereiche des Bildschirms in gleicher Weise verhalten wie der gemessene.
Steht für das zu verwendende Kamera-Messsystem kein konoskopisches Objektiv zur Verfügung, gibt es einen weiteren Weg, eine kamerabasierte Messung des winkelabhängigen Displaykontrasts durchzuführen. Dazu muss man sich vor Augen führen, dass man bei der Konoskop-Messung von der wenige Millimeter durchmessenden Messfläche auf die Eigenschaften der gesamten Bildfläche schließt. Wenn dies zulässig ist, sich also verschiedene Bereiche des Bildschirms gleichartig verhalten, sollte man umgekehrt auch für jede Winkelkombination den Kontrast an einer jeweils anderen Stelle des Bildschirms messen können.
Alle Punkte zusammen
In diesem Fall kann man für die Messung einfach ein Fisheye-Objektiv benutzen, dessen Abbildungsvorschrift ebenfalls eine Umsetzung des Elevationswinkels auf die Bildhöhe liefert. Die unterschiedlichen Messgeometrien für die geschilderten Varianten zeigt die Abbildung 1.
Für die Fisheye-Methode verwendet man ein Objektiv mit flächentreuer Abbildung, bei dem jedem Bildpixel ein gleich großer Raumwinkel im Objektraum zugeordnet ist. Diese Abbildungsvorschrift heißt in der englischen Fachliteratur „equisolid angle (projection)“ und gehorcht der Gleichung:
r = 2 · ƒ · sin (θ/2)
wobei r die Bildhöhe (beziehungsweise der Abstand des Bildpunkts von der optischen Achse), ƒ die Brennweite des Objektivs und θ der Elevationswinkel ist.
Das für iX-Messungen verwendete Fisheye-Objektiv des Radiant Imaging Kameracolorimeter erlaubt die Abbildung von Elevationswinkeln von etwas über 60° in der Vertikalen und im Prinzip bis zu 90° in der Horizontalen.
Wie bei der Konoskop-Methode misst man auch hier bei weißem und bei schwarzem Bildschirm und dividiert die Ergebnisse zur Kontrastberechnung. Damit die Genauigkeit bei der Schwarz-Messung nicht durch Sensor-Rauschen leidet, wird der CCD-Chip (Charge-coupled Device) durch sogenannte Peltier-Elemente aktiv auf eine Temperatur von circa -10° C gekühlt.
Das Ergebnis der Kontrastmessung ist eine zweidimensionale Karte, wobei die Koordinaten der Bildpixel eindeutig Winkelpaaren zugeordnet sind, die die Einblickrichtung definieren. Dabei sind die Kontrastwerte ĂĽber eine Farbskala in Farben codiert. Rot entspricht dabei einem Kontrastwert von etwa 600:1, Gelb von etwa 450:1, GrĂĽn von 300:1 und Dunkelblau von 25:1 (siehe Abbildung 2).
Fazit
Diese zweidimensionale Kartierung der Einblickwinkel in Polarkoordinaten mit der genau senkrechten Sicht auf die Displayoberfläche als Referenz erlaubt es zusammen mit der Farbcodierung der Kontrastwerte, auf einen Blick das winkelabhängige Kontrastverhalten eines Displays zu erfassen. Die Skalierung ist übrigens nicht auf den jeweils maximalen Kontrastwert normiert, sondern für alle untersuchten Displays gleich, um unterschiedliche Displays hinsichtlich ihres Kontrastverhaltens vergleichen zu können.
Dieter Michel
arbeitet als freier DV-Journalist und ist Chefredakteur der Fachzeitschrift Prosound. (sun)