Demo gegen Datensammelwut in Berlin gestartet

Über tausend Bürger protestieren in Berlin im Rahmen des Protestzuges "Freiheit statt Angst" gegen den "Überwachungswahn" in Staat und Wirtschaft. Zudem fordern sie mehr Datenschutz sowie ein freies Internet.

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Über tausend Bürger protestieren zur Stunde in Berlin im Rahmen der Demonstration "Freiheit statt Angst" gegen den "Überwachungswahn" in Staat und Wirtschaft und für mehr Datenschutz sowie ein freies Internet. Der Protestzug startete mit rund einstündiger Verspätung am frühen Nachmittag am Brandenburger Tor und zieht nun über die Straße "Unter den Linden" zum Alexanderplatz, wo auf der Abschlusskundgebung unter anderem Nina Hagen das Redenprogramm auflockern soll.

Die bereits zur Tradition gewordene Aktion wird wieder von einem breiten Bündnis unterstützt. Dazu gehören neben zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, dem Chaos Computer Club (CCC) oder dem FoeBuD auch politische Parteien wie die Grünen, die Linken, die FDP oder die Piraten.

Auch diesmal gestaltet sich sich über mehrere hundert Meter hinweg erstreckende und vom Modell eines "gläsernen Menschen" begleitete Aufzug wieder bunt. Teilnehmer tragen Schilder mit Aufschriften wie "Finger weg von meinen Daten!", "Gegen Terrorismus aus dem Bundestag" oder "Jede Datensammlung schafft Begehrlichkeit".

Neben mehreren Bundestags- und EU-Abgeordneten nimmt auch die Berliner Bürgermeisterkandidatin Renate Künast von den Grünen am Protestzug bei. Nicht fehlen darf ein "Schwarzer Block", der die "Kriminalisierung in Dresden" nach dem "Handygate" der Polizei in der sächsischen Hauptstadt im Februar stoppen will. Die Demonstranten rufen Parolen wie "Keine Stasi 2.0" oder "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Daten klaut".

"Wir demonstrieren gegen Datensammelwahn und Überwachung, für Freiheit und Bürgerrechte", erläuterte Rena Tangens vom Demo-Bündnis. "Zehn Jahre Terror" seien genug, meinte die FoeBuD-Vertreterin unter Hinweis auf die Verschärfung von Sicherheitsgesetzen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA. "Demokratie braucht Datenschutz", betonte Tangens. Ein besonderes Augenmerk richte man auf die von Teilen der Politik immer wieder ins Spiel gebrachte "anlasslose Vorratsdatenspeicherung aller Kommunikationsverbindungen". Eine solche Protokollierung von Nutzerspuren würde Bürger einem "diffus bedrohlichem Gefühl des Beobachtetseins" aussetzen.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix erklärte im Vorfeld der Demo gegenüber der Nachrichtenagentur dapd: "Der Eindruck, dass eine Datensammelwut herrscht, drängt sich in der Tat auf." Diese Tendenz sei nicht nur in Deutschland, sondern europaweit zu bemerken. Wenn man die Überwachungsdichte in ihrer Gänze in den Blick nehme, sei die Lage "kritisch". Es dürfe nicht aus den Augen verloren werden, dass Kriminalität hierzulande mit den bestehenden Befugnissen der Sicherheitsbehörden bereits "sehr effektiv bekämpft" werde. Deshalb wehre er sich vor allem gegen Bestrebungen, immer mehr Menschen allein deshalb ins Visier zu nehmen, um erst einen Verdacht zu gewinnen.

Nicht durchsetzen konnte sich ein Teilnehmer, der der Polizei bereits im Vorfeld die anlasslose Videoüberwachung der Versammlung in Form von Aufzeichnungen oder durch die Übertragung von Aufnahmen verbieten lassen wollte. Der Erste Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg bestätigte vor der Demo eine Entscheidung der niederen Instanz, die einen entsprechenden Antrag ablehnte.

Ausschlaggebend war eine Erklärung der Berliner Polizeispitze, keine "Übersichtsnahmen" der Veranstaltungen durchführen zu wollen. Diese Ansage sei ernst zu nehmen, meinten die Richter. Zudem könne gegen einen Verstoß im Nachhinein gerichtlich vorgegangen werden. Ob und unter welchen Umständen eine Videobeobachtung größerer Aufzüge rechtlich zulässig ist, ist eine derzeit noch nicht abschließend geklärte Frage. Videoaufnahmen der Staatmacht bei "Freiheit statt Angst"-Kundgebungen hatten in den vergangenen Jahren immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt. (ghi)