Bundesratsausschüsse für deutlichen Ausbau der TK-Überwachung

Fachgremien der Länder fordern eine zwölfmonatige Vorratsdatenspeicherung, die Einführung von Online-Durchsuchungen, eine Ausweitung des Straftatenkatalogs zum Telefonabhören und das Aus für anonyme Dienste.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 608 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Fachgremien des Bundesrates sind unzufrieden mit dem heftig umstrittenen Regierungsentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen. Sie haben auf 53 Seiten Empfehlungen (PDF-Datei) für eine umfangreiche Stellungnahme der Länderkammer zu dem Gesetzesvorhaben vorbereitet, über welche das Plenum des Bundesrats in seiner nächsten Sitzung am Freitag in einer Woche entscheiden soll. Insgesamt sprechen sich die Fachpolitiker für eine deutliche Verschärfung der Vorlage aus.

So pochen der Rechts- und der Innenausschuss etwa auf die Ausdehnung der Verpflichtung von TK-Anbietern zur verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten von sechs auf zwölf Monate. Ferner soll ihrer Ansicht nach der Katalog der Straftaten, bei dem die Sicherheitsbehörde die Telekommunikation überwachen dürfen, umfassend um Delikte etwa nach dem Vereinsgesetz, dem Grundstoffüberwachungsgesetz, zusätzliche Sexualvergehen oder schweren Diebstahl erweitert werden.

Der Innenausschuss will zudem im Rahmen des Gesetzes eine Rechtsgrundlage für verdeckte Online-Durchsuchungen schaffen. Die entsprechende Bespitzelung von "Speichermedien über Telekommunikationsanlagen" soll bei allen Katalogstraftaten auf richterliche Anordnung hin durchgeführt werden dürfen. Der Vorschlag für den neu in die Strafprozessordnung (StPO) aufzunehmenden Paragraph 100f sieht vor, dass auf den Festplatten enthaltene Daten beschlagnahmt werden können. Die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten soll für diese Befugnis auf andere Weise "aussichtslos oder wesentlich erschwert" sein müssen. Für die Installation des benötigten "Trojaners" oder anderer Spionagesoftware sieht der Innenausschuss keinen Regelungsbedarf. Notwendige Beeinträchtigungen des Betroffenen durch typische Vorbereitungs- oder Begleitmaßnahmen seien durch die Norm gedeckt.

Innen- und Rechtsausschuss wollen gemeinsam bei der Vorratsdatenspeicherung sicher stellen, dass ein Diensteanbieter Auskunft über den Inhaber einer dynamischen IP-Adresse auch zur einfacheren zivilrechtlichen Verfolgung etwa von Urheberrechtsverletzungen erteilen darf. Andernfalls würde der zivilrechtliche Auskunftsanspruch gegenüber Internetprovidern, wie er im Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vorgesehen ist, leer laufen. Ferner sollen die Benachrichtigungspflichten bei der Abfrage der Verbindungs- und Standortdaten auf Personen beschränkt werden, gegen die weitere Ermittlungen geführt wurden. Die beiden Ausschüsse sprechen sich auch dafür aus, die Anwendbarkeit des Tatbestands der Ordnungswidrigkeit für Verstöße gegen die Speicherpflicht nicht erst von Anfang 2009 an greifen zu lassen. Die betroffenen Unternehmen hätten sich schon seit längerem auf die neuen Pflichten einstellen können.

Weiter können sich Innen- und Rechtspolitiker nicht mit der geplanten Klausel in der Telekommunikations-Überwachungsanordnung (TKÜV) anfreunden, wonach weniger Provider permanent teure Abhörboxen bereit halten müssten. Die vorgeschlagene Anhebung der Grenze von 1000 auf 10.000 Teilnehmer als Kriterium für das Privileg sei nicht gerechtfertigt. Beide Ausschüsse weisen zudem darauf hin, dass die Begründung einer Zuständigkeit eines übergeordneten Gerichts für die Verlängerung einer Überwachungsmaßnahme über sechs Monate nicht erforderlich sei. Auch die vorgesehenen Berichtspflichten seien zu umfangreich und zu detailliert.

Schließlich wollen die beiden Gremien Lücken bei der Nutzung anonymer Dienste schließen. Anbieter von Prepaid-Produkten sollen künftig beim Verkauf ihrer Produkte die persönlichen Daten des Käufers anhand eines amtlichen Dokuments überprüfen. Zur Absicherung der Qualität der Datenbasis habe ferner jeder, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringe oder daran mitwirkt, eine Kopie geeigneter Identitätsnachweise anzufertigen und aufzubewahren. Es genüge dabei nicht, dass der Kunde eine selbst angefertigte Ausweiskopie übergibt.

Weitere Anregungen kommen vom Innenausschuss. Er stößt sich etwa daran, dass künftig auch bei der TK-Überwachung Aufzeichnungen aus dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung unverzüglich zu löschen sein sollen, so diese "allein" bei einem Kommunikationsvorgang anfallen. Die bundesweit eingesetzte Technik lasse derzeit keine Ausradierung einzelner Aufzeichnungspassagen zu. Die Umsetzung der Vorschrift würde so eine Neukonzeption der kompletten Archivierungsmechanismen in sämtlichen Überwachungsanlagen erforderlich machen. Bei einer Internetsitzung müsste diese komplett mit allen darin enthaltenen Daten zu VoIP, E-Mail, Chat und "normalem Surfen" gelöscht werden. Die Bundesregierung möge zu dieser Problematik Stellung nehmen.

Der Entwurf bringe ferner "eine erhebliche Verschlechterung der präventiven Nutzungsmöglichkeit von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" mit sich, kritisieren die Innenpolitiker weiter. Die Bundesregierung soll ihnen zufolge auch aufgefordert werden, die TKÜV so zu überarbeiten, dass für die Anlieferung der Verbindungs- und Standortdaten durch die Diensteanbieter ein einheitliches Dateiformat und eine einheitliche Schnittstelle sowie die Erreichbarkeit der Verpflichteten auch außerhalb der Büroarbeitszeiten geregelt wird. Dem Rechtsausschuss liegt noch am Herzen, die vorgesehene Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, nach Beendigung einer Telekommunikationsüberwachung das anordnende Gericht über Verlauf und Ergebnisse zu unterrichten, zu streichen. Allein der Wirtschaftsausschuss empfiehlt die Schaffung einer Entschädigungsregelung für die von den Hilfssheriffs erbrachten Leistungen und das Hinausschieben der Speicherpflichten im Internetbereich.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch die Übersicht über die bisherige und die aktuelle Berichterstattung im Online-Artikel zum Start der Anti-Terror-Datei:

(Stefan Krempl) / (pmz)