Ende mit Schrecken: Siemens-Handys gehören jetzt BenQ

Die hochfliegenden Pläne von Siemens im boomenden Handy-Markt sind endgültig nur noch ein Stück Wirtschaftsgeschichte.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 364 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Axel Höpner
  • dpa

Die hochfliegenden Pläne von Siemens im boomenden Handy-Markt sind endgültig nur noch ein Stück Wirtschaftsgeschichte. Mit der Übergabe des Handygeschäfts an den taiwanischen BenQ-Konzern, die reibungslos über die Bühne ging, werden 6000 Beschäftigte in eine ungewisse Zukunft geschickt. Branchenexperten sind aber zuversichtlich, dass die Taiwaner es besser machen werden als Deutschlands größter Elektrokonzern. "Für BenQ ist das ein Super-Deal", sagt Analyst Nicolas von Stackelberg von Sal. Oppenheim. Der taiwanische Konzern mache einen Quantensprung und überspringe im Zeitraffer mehrere Jahre Aufbauarbeit. Für Siemens ist die kostspielige Abspaltung nach jahrelangen Problemen dagegen ein Ende mit Schrecken.

Historisch ist Siemens eine alte Telefon-Firma und auch bei den Handys hatte der Konzern große Ziele. Der heutige Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich von Pierer hielt als Vorstandschef auf praktisch jeder Hauptversammlung oder Pressekonferenz eines der Siemens-Geräte in die Höhe, um Werbung dafür zu machen und zu zeigen, wie attraktiv die Geräte seien. Als Werbepartner wurde der nobelste aller Fußball-Clubs gewonnen, Real Madrid warb in der Champions League mit dem Schriftzug "Siemens mobile" auf den Leibchen.

Nach unternehmerischen Fehlentscheidungen und hohen Verlusten ging die Ära nun umso trister zu Ende. Siemens verkündete in zwei trockenen Sätzen, dass die Abspaltung erfolgt ist: "Siemens und BenQ haben nunmehr den Übergang des Handygeschäfts von Siemens an das taiwanische Unternehmen abgeschlossen. Die neue Gesellschaft BenQ Mobile hat – wie geplant – zum 1. Oktober 2005 ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen."

In Deutschland konnte Siemens mit seinen Handys zwar die Marktführerschaft erobern, weltweit kam der Konzern aber an die Branchenführer Nokia und Motorola nie heran. In der Ursachenanalyse sind sich die Experten weitgehend einig. In der extrem schnelllebigen Branche habe der Industriekoloss zu langsam reagiert. "Da wurden wichtige Innovationen einfach verschlafen", sagt Aufsichtsrat Wolfgang Müller von der IG Metall. Bei Farbdisplays, Foto- und UMTS-Handys hinkte Siemens den Konkurrenten hinterher. "Die Displays sind noch heute ziemlich grobpixelig", sagt Analyst Stackelberg. Der Konzern habe zudem in den letzten ein, zwei Jahren das Geschäft schlechtgeredet, als er selbst eine Schließung der Handysparte nicht ausschloss. Mit einer – nach Meinung vieler Experten unnötigen – Rückrufaktion nach einer Softwarepanne verlor Siemens weiter an Ansehen.

Unter der BenQ-Führung soll nun alles besser werden. Die Startbedingungen sind nicht schlecht. Siemens gibt den Taiwanern einen dreistelligen Millionenbetrag, wichtige Software-Patente, noch immer recht ordentliche Marktanteile in Europa und Südamerika und eine wertvolle Beteiligung an der Software-Firma Symbian mit auf den Weg. Da Siemens weiterhin Mobilfunknetze baut, hat BenQ außerdem über den Kooperationspartner Siemens einen Fuß in der Tür bei den Mobilfunkbetreibern, die noch immer der wichtigste Vertriebskanal für Handys sind. "Das hätte sonst Jahre gedauert", sagt Analyst Stackelberg.

Für die Beschäftigten der Siemens-Handysparte könnte die Jahre der Unsicherheit nun noch in einem Happy End aufgehen. Sicher ist das aber nicht. "Jetzt hängt alles davon ab, wie schnell BenQ das Geschäft gedreht kriegt", sagt Aufsichtsrat Müller. Für die Mitarbeiter im deutschen Werk Kamp-Lintfort gilt noch eine Beschäftigungssicherung bis Mitte 2006. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung kündigte BenQ-Mobile-Chef Clemens Joos jedenfalls schon einmal an, dass im nächsten Jahr weltweit fünf Prozent der 6000 Stellen abgebaut werden sollen. Eine Garantie für die deutschen Standorte gibt es nicht, manche fürchten, dass BenQ die Produktion doch in seine günstigeren anderen Werke verlagern könne. BenQ-Chef K.Y. Lee sagte der Welt am Sonntag, nach Auslauf der Beschäftigungssicherung müsse am Standort Deutschland jedenfalls etwas passieren. "Das kann Expansion sein, aber auch Einschnitt." (Axel Höpner, dpa) / (hos)