Stümperei beim Weltkonzern: "HP zerstört sich selbst"

Der weltgrößte Computerhersteller scheint eine Schlangengrube zu sein. Der aus Deutschland stammende Konzernchef Léo Apotheker hat kein Jahr überlebt, dann wurde er abgesägt. Seine Nachfolgerin Meg Whitman erbt alle Probleme.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Andrej Sokolow
  • Daniel Schnettler
  • dpa

Weltkonzern oder Chaos-Verein? Diese Frage dürften sich die Kunden und Investoren des Computerriesen Hewlett-Packard in den vergangenen Wochen öfter gestellt haben. Ein Zickzack-Kurs vergiftet das Geschäft, die Aktie liegt am Boden. Ein Analyst redet Klartext und brüskiert damit das Management: Das Vertrauen in das Führungsgremium sei gering, sagt er in einer Telefonkonferenz. Und spricht damit allen Zuhörern aus dem Herzen.

"Der Verwaltungsrat hat Schwächen im Geschäft ausgemacht", räumt der oberste Firmenkontrolleur Ray Lane immerhin ein, als er am späten Donnerstag die ehemalige Ebay-Chefin Meg Whitman zur neuen Konzernlenkerin ernennt. Für Lane steht auch eindeutig fest, wer diese Schwächen zu verantworten hat: der aus Deutschland stammende Topmanager Léo Apotheker. Er muss gehen. Sofort.

Dabei hatte Apotheker erst im August die große Strategiewende verkündet: Das traditionsreiche PC-Geschäft sollte weg; für Milliarden Dollar wird ein Software-Spezialist gekauft; der teuer entwickelte Tablet-Computer TouchPad kommt nach nur wenigen Wochen auf dem Markt in die Tonne. Der Schock war groß. Die Aktie verlor an einem Tag ein Fünftel ihres Wert. Doch erst das Herumeiern machte alles richtig schlimm. Apotheker konnte keine klare Antwort geben, wie es nun weitergeht.

Für die PC-Sparte sei die Unsicherheit absolut verheerend gewesen, erzählt ein Insider der New York Times. Das Geschäft mit Firmenkunden sei komplett eingefroren. "Die Unternehmen, die Zehntausende Computer mit Wartungsverträgen kaufen, schließen HP aus. Dell und Lenovo sind überall. Sie haben freies Feld. HP zerstört sich selbst."

Auch der HP-Verwaltungsrat erkennt die Gefahr. "Wir brauchten eine neue Führung", sagt der Vorsitzende Lane im Rückblick. Er hält dem geschassten Konzernchef Apotheker vor: "Die Entscheidungen hätten wesentlich besser kommuniziert werden müssen." Eigenes Versagen kann Lane nicht erkennen. Nicht mal die Berufung des ehemaligen SAP-Lenkers vor einem knappen Jahr will er auf seine Kappe nehmen: "Dieser Verwaltungsrat hat Léo nicht ausgewählt. Der halbe Verwaltungsrat ist neu."

Die Ablösung scheint ein abgekartetes Spiel gewesen zu sein. Vertraute sagen, Apotheker habe erst aus den Medien von dem drohenden Unheil erfahren. Am Mittwoch begann die Demontage: Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg und das IT-Blog "All Things Digital" berichteten gleichzeitig über die (eigentlich geheimen) Beratungen des Verwaltungsrats zum Konzernchef. Und genau diese zwei Medien waren es, die nur Minuten nach der offiziellen Verkündung des Wechsels Interviews mit Lane und Whitman hatten.

Alleine der Abgang von Apotheker löst keines der geschäftlichen Probleme. Denn der Deutsche hatte nicht blindlings bei Hewlett-Packard gewütet, sondern war durchaus reale Baustellen angegangen: Die Rendite im PC-Geschäft ist niedriger als in anderen Sparten, der Vormarsch der Smartphones und Apples iPad drückt auf die Verkäufe. HP hat überdies jahrelang an Entwicklungskosten gespart, um die Gewinne aufzubessern.

Kunden und Investoren erwarten von der neuen Nummer eins Meg Whitman nun rasch Klarheit. "Die Übernahme von Autonomy geht wie geplant weiter", sagt Whitman bei ihrem ersten Auftritt zu dem Milliardenzukauf bei der Software. Und was ist mit der Abspaltung des PC-Geschäfts? "Wir erwarten, dass der Verwaltungsrat eine Entscheidung bis zum Jahresende fällt, vielleicht auch früher." Die Hängepartie geht also erstmal weiter. (anw)