nicht schon wieder ...! -- zum 70. Geburtstag von Oswald Wiener

Der rührige Österreicher wurde unter anderem als Jazztrompeter und Wiener Avantgardepoet bekannt. Er gehört zu den Denkern, die sich intensiv mit der künstlichen Intelligenz und den Thesen von Alan Turing beschäftigt haben.

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Von
  • Detlef Borchers

Heute vor 70 Jahren kam Oswald Wiener in Wien auf die Welt. Der rührige Österreicher wurde als Jazztrompeter, Wiener Avantgardepoet, Berliner Kneipenbesitzer und Düsseldorfer Kunstprofessor oder auch als Herausgeber der Lebensgeschichte von Josefine Mutzenbacher bekannt. Er gehört zu den Denkern, die sich intensiv mit der künstlichen Intelligenz und den Thesen von Alan Turing beschäftigt haben.

Oswald Wiener, der von 1963 bis 1967 bei Olivetti in Österreich als Leiter der DV-Abteilung arbeitete und relativ spät von 1980 bis 1985 Informatik in Berlin studierte, ist einer der Wenigen, die die Idee einer Turing-Maschine sinnlich aufgegriffen haben, die den Turing-Test auf den perfekten Automaten-Mensch ummünzten und versuchten, mit den Mitteln der Selbstbeobachtung Turings Ansatz fortzuführen. Nur als besonders schneller Rechenautomat hat der Mensch die Chance zu erkennen, wie die Welt ihre Irrtümer blitzschnell repariert, so könnte man seine Vorstellung von der Künstlichen Intelligenz zusammenfassen.

Oswald Wiener setzte sich als Mitglied der anarchopoetischen Wiener Gruppe (Günter Brus, Hermann Nitsch, H.C. Artmann) ab 1956 mit der Künstlichen Intelligenz auseinander, die damals gerade mit der Konferenz von Dartmouth ihre Geburtsstunde hatte. Die Probleme der Künstlichen Intelligenz tauchen erstmals in seinem 1969 erschienenen Buch "Die Verbesserung von Mitteleuropa" auf und werden 1990 mit dem unter dem Pseudonym Evo Lutz Präkogler geschrieben "nicht schon wieder ...!" beantwortet: Die Menschen verschwinden als reale Erscheinungen und überleben als Datei auf einem Datenträger. Mit seinem Kunstprojekt bioadapter, einem uterusähnlichen Glücksanzug, der als künstliche Haut über den Menschen gezogen wird und die Arbeit der Sinnesorgane übernimmt, konzipierte Wiener eine sinnliche Antwort auf Turing. Frühzeitig kritisierte Wiener das Internet und den Cyberspace als Medium, das nur Kitsch und Konsum hervorbringt.

Heute lebt Oswald Wiener abwechselnd im kanadischen Dawson City und in Krefeld. Als beste Realisierung seiner Idee einer Turing-Maschine gilt heute die despotische Mamsell, die seine Tochter Sarah Wiener in der Doku-Soap Abenteuer 1900 spielte. (Detlef Borchers) / (jk)