eHealth: Big Business in den Startlöchern

Die Industrieverbände BDI, ZVEI und Bitkom haben eine Studie zur Stimmungslage vor der Einführung der Gesundheitskarte vorgelegt.

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Von
  • Richard Sietmann

Während die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte momentan etwas aus dem Tritt geraten ist, präsentierten die einschlägig interessierten Industrieverbände BDI, ZVEI und Bitkom am heutigen Mittwoch in Berlin das ursprünglich für August angekündigte Jahrbuch "eHealth Deutschland 2005/2006", in dem sie die steigende Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) im Gesundheitswesen unterstreichen. Der BDI erwartet an der Schnittstelle von klassischer Medizintechnik und Informations- und Kommunikationswirtschaft einen eigenen Markt mit großen Wachstumschancen für die Mitgliedsunternehmen und fordert, dass der anstehende Prozess des Aufbaus der Telematik-Infrastruktur jetzt "nicht auf halbem Wege stehen bleibt", wie ICT-Abteilungsleiter Nils Lau vom BDI erklärte.

Mit dem Jahrbuch wurden heute die Ergebnisse einer Umfrage unter rund 10.000 "Entscheidern" aus allen Bereichen des Gesundheitswesens veröffentlicht. Die Studie ist unter anderem von Microsoft, SAP, Booz Allen Hamilton, Siemens und T-Systems finanziert worden. Danach stehen in Krankenhäusern die Bereiche "IT-Sicherheit" und "Mobile Dienste, Handhelds, PDA" in den Investitionsplänen ganz weit oben; bei den Krankenkassen sind es die Bereiche "IT-Sicherheit" und der Ausbau der Telematik-Infrastruktur. Die befragten Apotheker und niedergelassenen Ärzte zeigten sich in ihren Investitionsabsichten zurückhaltender; sie rechnen in erster Linie mit steigenden Ausgaben für die Fortbildung des Apotheken- und Praxispersonals sowie für die Modernisierung ihrer EDV.

Der bevorstehenden Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bescheinigt jedoch nur ein Drittel der Ärzte einen hohen bis sehr hohen Nutzen, und nur etwa 40 Prozent der Apotheker sehen in elektronischen Rezepten eine nützliche Innovation. Erst wenn es über die zunächst geplanten Pflichtanwendungen für die Karte -- Verwaltungsdaten des Versicherten und elektronisches Rezept -- hinaus um die künftigen freiwiligen Anwendungen der Karte geht -- Notfalldaten, Arzneimitteldokumentation, den elektronischen Arztbrief und die ePatientenakte, deren Implementierung allerdings noch nicht geklärt sind -- schätzen zwei Drittel der befragten Ärzte und Apotheker den Nutzen den Nutzen als hoch oder sehr hoch ein.

Michael Vogt vom Ärzteverband Hartmannbund bekräftigte bei der Präsentation, "dass die Ärzteschaft die Einführung einer sicheren Telematikinfrastruktur begrüßt"; die in der Umfrage zum Ausdruck gekommenen Befürchtungen hinsichtlich der Datensicherheit und der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht hält er jedoch für "nachvollziehbar und gerechtfertigt". Auch kritisiert der Ärzteverband nach wie vor die ungleiche Kosten- und Nutzenverteilung zwischen den kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen auf der einen und den niedergelassenen Ärzten auf der anderen Seite. Dass Kosten, die vor allem zur finanziellen Ersparnis bei den Kostenträgern führen, nicht den ärztlichen Leistungsträgern zur Last gelegt werden, sei für den Hartmannbund weiterhin "eine ganz zentrale Forderung".

Nachdem sich die Arztorganisationen und Krankenkassen als Gesellschafter der für die Einführung der neuen Gesundheitskarte zuständigen Projektgesellschaft Gematik nicht mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit über die Lösungsarchitektur und die Finanzierung der anstehenden Feldtests hatten verständigen können, hat jetzt das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) die Entscheidung hierüber mit einer Ersatzvornahme im Wege einer Rechtsverordnung an sich gezogen. "Diese Rechtsverordnung wird zur Zeit erarbeitet, und es besteht die Absicht, sie noch in diesem Monat abzuschließen", erklärte Ministerialdirigent Norbert Paland, der die Projektgruppe Telematik-Gesundheitskarte im BMGS leitet, auf der heutigen Veranstaltung. Damit solle die Investitionssicherheit für die Industrie, die bereits beträchtliche Vorleistungen erbracht habe, gewährleistet werden. Die Verordnung solle auch die Finanzierung der Feldtests regeln und werde sich nur auf die bevorstehende Testphase beziehen. Danach hoffe er, dass die Selbstverwaltungsorganisationen im Gesundheitswesen wieder zu einer einvernehmlichen Beschlussfassung kämen. Falls das nicht möglich sei, werde die flächendeckende Implementierung der Gesundheitskarte notfalls erneut mit einer Rechtsverordnung erfolgen. "Darauf", so Paland, "können sich alle Beteiligten verlassen." (Richard Sietmann) / (anm)