One more thing

Viele Apple-Fans haben beim jüngsten Produkt-Event in Cupertino gelitten. Kein Steve Jobs auf der Bühne. Keine "One more thing"-Überraschung im Form eines frisch designten iPhone 5. Dabei stecken im neuen iPhone 4S und der iCloud-Umgebung viele spannende Neuerungen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christoph Dernbach

Apple-Chef Tim Cook würde ich nicht unbedingt die Ausrichtung eines Kindergeburtstages übertragen. Klar: Die kleinen Racker kämen am Abend wohlgenährt und sicher wieder nach Hause. Doch den Kleinen würde irgendwie das Leuchten in den Augen fehlen, das sie sonst mit nach Hause bringen, wenn sie von einer rundum gelungenen Geburtstagsparty zurückkommen.

Nun will ich die Apple-Gemeinde nicht mit einem Kindergarten vergleichen. Aber irgendwie konnte Tim Cook das emotionale Bedürfnis der treuesten Apple-Kunden nach einem neuen Jesus-Phone nicht befriedigen. Dem Nachfolger von Steve Jobs war die große Nervosität bei seinem ersten Auftritt nach dem Rückzug des kranken Apple-Mitbegründers deutlich anzumerken (vergleiche Mac & i Liveticker). Und da Cook ohnehin wenig Talent als Showman hat, überließ er in weiten Teilen Mitarbeitern wie Apple-Marketingchef Phil Schiller die Bühne.

Aber nicht nur eniige Fans waren enttäuscht: Auch manche Journalisten, die mit mir zusammen das Apple-Event in London verfolgt haben, sehen nun Apple auf dem absteigenden Ast und in der Rolle eines Getriebenen.

Es gibt auch nichts daran herumzudeuteln, dass Google mit Android – zumindest was die Marktanteile angeht – Apple und das iPhone inzwischen überholt hat. Ob das aber schon Anlass ist, einen Abgesang auf Apple anzustimmen, wage ich zu bezweifeln. In Ländern wie den USA oder Deutschland hat die Mehrzahl der Menschen bislang noch gar kein Smartphone. Und selbst wenn sich die Marktanteile – auch wegen des Preisunterschiedes zwischen den Apple-Geräten und den Android-Smartphones – weiterhin zugunsten von Google verschieben sollten, steht für Apple ein gigantischer Wachstumsmarkt offen. Von China will ich erst gar nicht reden.

Lassen wir aber noch einmal die Ankündigungen des iPhone-Events Revue passieren: Im Innern steckt jetzt ein deutlich schnellerer A5-Doppelkernprozessor. Außerdem wurde die Grafikleistung signifikant verbessert. Diese Kombination wird insbesondere den Entwicklern von Games Spielraum für neuartige Apps geben, mit denen das iPhone immer stärker zu einem Konsolenersatz reift. Apple verspricht außerdem eine längere Batterielaufzeit und hat eine deutlich bessere Kamera verbaut. Mit dem iPhone kann man nun quasi in aller Welt telefonieren und ist nicht mehr allein auf GSM/UMTS angewiesen. Und "Antennagate" ist mit der neuen Antennenkonstruktion vermutlich auch Geschichte, wenn sich die Versprechungen von Apple in der Praxis beweisen. Diese Verbesserungen im Detail summieren sich zumindest zu einem großen Update, das für viele potenziellen Smartphone-Käufer von Interesse sein dürfte.

Noch befindet sich die Spracherkennung im Betastadium.

Was bei der Beurteilung von Smartphones häufig zu kurz kommt, ist die Software. Gerade hier wird Apple Akzente setzen, nicht nur mit der iCloud. Es gab zwar schon vor dem nun vorgestellten "Persönlichen Assistenten" Siri Spracherkennungsprogramme wie die Dragon-Apps für das iPhone oder die Spracherkennungsfunktionen von Google in Android und diversen Apps. Doch erst Siri hat das Potenzial, der Vision des Knowledge Navigators ein deutliches Stück näher zu kommen. Kleine Ironie der IT-Geschichte: Das Konzept der sprachgesteuerten Wissensmaschine wurde bei Apple unter der Regentschaft des von Fans gehassten John Sculley entworfen, der Steve Jobs 1985 aus dem Unternehmen gedrängt hatte. Sehenswert in diesem Zusammenhang ist auch das Video aus dem Jahr 2009 von der Technologie-Konferenz D7 von AllThingsD, in dem der damalige Siri-Chef Dag Kittlaus eine erste Version von Siri demonstriert und über die Möglichkeiten der Spracherkennungstechnologie spricht.

In Deutschland werden wir uns allerdings noch etwas gedulden müssen, bis alle Funktionen von Siri verfügbar sind, die auf dem iPhone-Event in Cupertino vorgeführt wurden. Das liegt zum einen daran, dass Dienste wie WolframAlpha derzeit noch nicht auf Deutsch verfügbar sind. Außerdem arbeitet Apple noch daran, um beispielsweise die Navigationsanweisungen auch auf Deutsch zu ermöglichen.

Warten wir also auf Updates für Siri – und das nächste iPhone-Event. Dann gibt es vielleicht auch wieder Streicheleinheiten für die Apple-Fans – und "One more thing". (se)