3GSM: Steter Tropfen schärft die Optik
Die französische Firma Varioptic will massenmarkttaugliche Fotohandys mit Autofokus und optischen Zoom mit flüssigen Linsen ermöglichen.
Nachdem die in Mobiltelefonen eingebauten Kameras bereits in den Megapixel-Bereich vorgestoßen sind, kündigt sich nun ein weiterer wesentlicher Fortschritt an: Autofokus und optischer Zoom. Um massenmarkttaugliche Geräte zu ermöglichen, dürfen die Linsen allerdings keine beweglichen Teile aufweisen und nur wenig Strom verbrauchen. Beides will die französische Firma Varioptic mit flüssigen Linsen ermöglichen. Anstatt starre Linsen zu bewegen, werden deren optische Eigenschaften verändert. "Dass sich Wassertropfen verändern, wenn man Spannung anlegt, weiß man schon lange", sagte Joshua Hong von Varioptic bei der 3GSM World in Cannes zu heise online, "aber wir sind die Ersten, die ein stabiles System entwickelt haben, das die exakte Kontrolle der optischen Achse ermöglicht. Gerade laufen die letzten Verlässlichkeitstests."
In einem kleinen konischen Gehäuse, das innen teilweise mit einem hydrophoben Material beschichtet ist, sind zwischen zwei Glasscheiben Anoden, Kathoden, ein Tropfen einer Wasserlösung und ein Tropfen transparenten Öls untergebracht. Das Öl dient als Isolator, das Wasser als Leiter. Wird Spannung angelegt, verformt sich der Wassertropfen und verdrängt teilweise das Öl. Durch diesen Electrowetting-Effect -- auch elektrischer Kapillareffekt genannt -- verändert sich der Winkel zwischen Wasseroberfläche und Gehäuse, mithin der Brechungsindex der Linse. Die genauen Werte hängen von der spezifischen Zusammensetzung von Öl und Wasserlösung ab.
Das Modell AMS 1000 ermöglicht beispielsweise bis zu 25 Dioptrien, wodurch scharfe Abbildungen von Gegenständen in einer Entfernung von 4 cm bis unendlich möglich sind. Einsatzfelder sind also auch Fingerabdruckscans, Text- oder Barcode-Erkennung. Das Linsengehäuse hat einen Durchmesser von 10,5 mm und ist 2,4 mm hoch. Die Linse lässt 88 bis 96 Prozent des Lichts im Wellenbereich von 350 bis 750 nm durch, die Reaktionszeit beträgt 100 Millisekunden. Die hydrophobe Teilbeschichtung verhindert laut Hong auch bei starken Erschüterungen, dass sich Öl und Wasser vermengen.
"Wenn Sie zwei verschiedene Linsen hintereinander platzieren, haben Sie einen optischen Zoom -- und gar nichts muss sich bewegen", erläuterte Hong. "Wir erzielen noch dieses Jahr einen stabilen 3-fach-Zoom." Die Linsenflüssigkeiten seien bis unter 40 Grad minus frostsicher und würden erst bei mehr als 130 bis 140 Grad kochen. Bei den notwendigen Spannungen um 40 Volt würde eine Linse nur 10 bis 15 mW verbrauchen, was ein Bruchteil des Energiebedarfs der für mechanisch bewegte Linsen erforderlichen Motoren sei. Bei besonders exakter Produktion und hoher Materialgüte sei auch eine Senkung der Spannung auf etwa 20 Volt vorstellbar.
Varioptics Forschung und Kleinserienproduktion sitzt in Lyon und wird von dem Erfinder der Technologie, Bruno Berge, geleitet. Drei Venture Capital Firmen haben das Unternehmen vergangenes Jahr mit 12 Millionen Euro ausgestattet, die Entwicklung der flüssigen Linsen soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Im Frühjahr 2006 könnten bereits die ersten Handys damit auf den Konsumentenmarkt kommen, so Hong. Bei Massenfertigung würde der Aufpreis für den Einbau eines Systems mit flüssiger Linse in ein Kamerahandy voraussichtlich nur zwei bis drei Euro kosten. Mit Samsung Electro Mechanics ist bereits der erste Lizenznehmer unter Vertrag. Philips hatte Prototypen von flüssigen Linsen voriges Jahr auf der CeBIT gezeigt. (Daniel A Sokolov) / (anw)