Verordnung zur TK-Überwachung auf dem Prüfstand

Das Wirtschaftsministerium hat seinen Entwurf für die Novelle der Telekommunikations-Überwachungsverordnung überarbeitet und der EU zur Prüfung vorgelegt; Wirtschaftsverbände bleiben bei ihrer Kritik.

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Das Bundeswirtschaftsministerium hat seinen umstrittenen Entwurf für die Novelle der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) vom Sommer überarbeitet und zunächst Brüssel zur europarechtlichen Prüfung vorgelegt. Die Verabschiedung der Abhörparagraphen durch das Bundeskabinett und den Bundesrat verzögert sich damit zumindest bis weit in das Frühjahr hinein. Allein bis März dauert die so genannte Notifizierung der geplanten Reform durch die EU-Kommission, die auf Grund des weitläufigen Bezugs der TKÜV auf die E-Commerce-Richtlinie der EU erforderlich ist.

Zudem stehen der Bundesregierung weitere Auseinandersetzungen mit den betroffenen Wirtschaftskreisen bevor, da diese ihre Kritik auch an der geänderten Version der Lauschverordnung größtenteils aufrecht erhalten. Ursprünglich sollte die neue TKÜV schon Ende 2004 vom Bundesrat beraten werden.

"In Detailfragen gibt es einige Verbesserungen", kommentiert Hannah Seiffert, Justiziarin beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, das neue, heise online vorliegende Papier. So sollen Anbieter bei der netzseitigen Verschlüsselung der Telekommunikation etwa mit Hilfe Virtual Private Networks (VPNs) nicht mehr von vornherein gezwungen werden, die Daten Verdächtiger im ungeschützten Klartext an die Ermittler weiterzuleiten. Dies wäre laut eco einem "Kryptoverbot durch die Hintertür" gleichgekommen. Zudem müssen die großen Datentransporteure den anvisierten Internetverkehr nicht mehr direkt auf Basis des Internetprotokolls (IP) ausleiten. Für den Mobilfunkbereich hat das Wirtschaftsministerium zudem in der Verordnungsbegründung klargestellt, dass Informationen zum Standort eines Nutzers auf Basis der Funkzelle bislang dem Anspruch der "größtmöglichen Genauigkeit" der Angabe im Rahmen der "kommerziellen" Gegebenheiten genügen.

Zahlreiche Knackpunkte sind allerdings erhalten geblieben oder noch verschärft worden. Der aktuelle Streit entzündet sich vor allem an den Vorschriften zur Überwachung von Nutzern im Ausland. So heißt es in Paragraph 4 der TKÜV: Telekommunikation ist auch "in den Fällen zu erfassen, in denen sie von einem unbekannten, im Inland befindlichen Telekommunikationsanschluss herrührt" und für eine in der Überwachungsanordnung "angegebene ausländische Zieladresse bestimmt ist" oder an eine Mailbox im Inland weitergeleitet wird. Diese so genannte Auslandskopf-Überwachung sei gemäß der Strafprozessordnung zulässig und "technisch grundsätzlich möglich", begründet das Wirtschaftsministerium die prekäre Bespitzelung von Teilnehmern im Ausland. Das eigentliche Abhören finde dabei an den Übergabepunkten im Inland statt und greife daher nicht in die Souveränität anderer Staaten ein. Die geplante Überwachungsausweitung stelle insbesondere auf Grund des Terrorismus und der organisierten Kriminalität ein "wichtiges Ermittlungsinstrument dar".

Die Folgen für die Wirtschaft hat das Ministerium allerdings anscheinend noch nicht bedacht. "Alle Carrier mit internationalen Gateways müssten dann eine Überwachungsanordnung bekommen und filtern", erläutert Seiffert. Man wisse schließlich nie vorab, wo die Telekommunikation in den Netzen lang laufe. Die Praxis mit der Auslandskopf-Überwachung sei noch zu Zeiten handhabbar gewesen, in denen die Deutsche Telekom eine Alleinstellung im Markt hatte. Inzwischen würden alternative Anbieter 40 Prozent des internationalen Sprachverkehrs abwickeln. Auch verfassungsrechtliche Fragen sind laut der eco-Vertreterin noch zu klären. Schließlich sei die Bestimmung geeignet, um zwischen Staaten sonst übliche Rechtshilfegesuche zu umgehen. Erfasst würden dürften ihrer Ansicht nach die Daten ausländischer Bürger höchstens in Fällen, die im Ausland nicht mit Strafe bedroht sind.

Der "Super-Gau" würde laut Seiffert zudem eintreten, falls auch der Datenverkehr auf IP-Basis unter die Regelung fallen solle. Bei der Internettelefonie über Voice-over-IP etwa wäre schier jeder Router dann komplett zu überwachen, da im weltweiten Datennetz fast immer eine Verbindung ins Ausland bestehe. "Viele neue Rechtsunsicherheiten" sieht Seiffert damit wieder vor allem über die Technische Richtlinie zur TKÜV (TRTKÜV) auf die Provider zukommen. Denen macht momentan noch die Umsetzung der Bestimmungen zur E-Mail-Überwachung in der jetzigen TRTKÜV schwer zu schaffen.

Eine weitere geplante deutliche Erweiterung des Kreises der Unternehmen, die zum kleinen Lauschangriff verpflichtet werden, findet sich in Paragraph 3. Demnach sollen die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsanlagen nur noch dann vom Zwang befreit werden, auf eigene Kosten teure Überwachungsboxen ständig parat zu halten, wenn sie "nicht mehr als 1000 Nutzungsberechtigungen vergeben". Früher war in diesem Zusammenhang allein von "1000 Teilnehmern" die Rede. Da das Telekommunikationsgesetz (TKG), aus der sich die TKÜV ableitet, unter Teilnehmern aber "nur" konkrete Vertragspartner versteht, will das Wirtschaftsministerium auf Grund des Drucks der Strafverfolger hier die Daumenschrauben enger ziehen. Mit der Formulierung "Nutzungsberechtigte" könnten so etwa auch die nicht vertraglich gebundenen Surfer mitgezählt werden, die über einen WLAN-Hotspot oder ein Internet-Café online gehen. (Stefan Krempl) / (jk)