EU-Parlamentsspitze segnet Neustartantrag für Richtlinie zu Softwarepatenten ab

Die Konferenz der Präsidenten des Abgeordnetenhauses verlangt von der EU-Kommission einen neuen Vorschlag für eine Softwarepatentrichtlinie. 250 Demonstranten in Brüssel unterstützten die Initiative.

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Die Konferenz der Präsidenten beziehungsweise Fraktionsvorsitzenden des Europäischen Parlaments hat am heutigen Donnerstag beschlossen, von der EU-Kommission eine neue Vorlage für eine Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen" zu verlangen. Die Parlamentsspitze folgte damit einem Entschluss der Koordinatoren des Rechtsausschusses. Die Kommission wird nun aufgefordert, das komplette Gesetzgebungsverfahren neu in die Wege zu leiten. Zuvor war die Position des EU-Rates in eine Sackgasse geraten, da die Regierungen von Ländern wie Polen oder Dänemark die Verabschiedung des Standpunktes vom Mai immer wieder verzögerten. Unter Beschuss liegt das Ministergremium mit seiner Linie auch aus den nationalen Parlamenten in den Niederlanden, Spanien und Deutschland.

Viele EU-Parlamentarier begrüßen die Entscheidung und sehen den federführenden Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy in der Pflicht. "Ich wage zu hoffen, dass McCreevy nach seiner schlechten Leistung nun den Ernst der Situation versteht und sich an die Arbeit macht", kommentiert der grüne französische Abgeordnete Alain Lipietz den Segen für den Neustartantrag. "Wir erwarten die rasche Veröffentlichung eines neuen Richtlinienvorschlags, der die Forderungen des EU-Parlaments und der europäischen Entwickler berücksichtigt und klare Grenzen der Patentierbarkeit etabliert." Die Sozialdemokratin Maria Berger legt McCreevy ebenfalls ans Herz, "zurück auf Start zu gehen, wenn die Kommission weiter mitspielen möchte". Sollten der irische Kommissar und der EU-Rat dagegen auf einer "schnellen 2. Lesung" bestehen, würden sie mit Sicherheit genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie sich gewünscht hätten.

Die Entscheidung in der Präsidialkonferenz war bis zur letzten Minute unsicher. Erst nachdem die Grünen mithilfe der Unterstützung anderer Fraktionen in den vergangenen Tage Druck gemacht hatten, kam der Neustartwunsch des Rechtsausschusses überhaupt mit auf die Tagesordnung für die heutige Sitzung. Im Generalsekretariat des Parlaments hatte sich vor allem Harald Rømer von der Volkspartei zunächst dafür ausgesprochen, erst das Durchwinken der Ratsposition auf einem der kommenden Ministertreffen abzuwarten. Danach hätte der Neustartantrag aber nur noch wenig Sinn gemacht, da die Weichen damit bereits auf den Übergang zur 2. Lesung gestellt worden wären.

Ebenfalls heute Vormittag waren rund 250 mit Bananen und Transparenten ausgerüstete Aktivisten einem Aufruf des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) gefolgt und hatten in Brüssel vor dem Gebäude der EU-Kommmission gegen Softwarepatente demonstriert. FFII-Vorstand Hartmut Pilch kritisierte die EU dabei als "Bananenrepublik", da die Legislative und die Exekutive im Gesetzgebungsverfahren für die Softwarepatentrichtlinie nicht funktionell zusammenarbeiten würden.

Die Binnenmarktkommission wurde von Pilch als "gefräßiges Monster" bezeichnet, das die Freiheit und die Vitalität der europäischen Bürger -- und damit der eigentlichen Wettbewerbskraft -- gefährde. Sie habe durch "ungeheuerliche Aktionen" und die Missachtung wichtiger Studien die derzeitige kritische Situation rund um die Direktive verschuldet. Den Ausweg aus der Sackgasse könnten nur der Neustart des Verfahrens oder eine erneute Debatte über die Richtlinie im EU-Rat weisen. Am Dienstag hatte es bereits in Berlin eine Protestkundgebung des FFII vor dem Bundesjustizministerium gegeben.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)