Experten streiten ĂĽber Datensicherheit in der Cloud

Davide Perilli von der European Privacy Association hält das europäische Datenschutzsystem für unvereinbar mit dem gängigen Modell der Datenverarbeitung in der Cloud. Ein Volkswirtschaftler warnt vor Überregulierung.

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Davide Perilli von der European Privacy Association hält das europäische Datenschutzsystem für unvereinbar mit dem gängigen Modell der Datenverarbeitung in den Wolken. Nach Ansicht der EU-Datenschutzbeauftragten sei der Cloud-Dienstleister auch der eigentliche Datenverarbeiter mit allen damit einhergehenden Sicherheitsauflagen und Haftungsverbindlichkeiten, erklärte der Abgesandte der Vereinigung am Montag auf einer Lobby-Veranstaltung in Berlin. Der derzeitige Ansatz von Anbietern wie Amazon, Google oder Microsoft teile die Kontrollpflicht über die abgegebenen Informationen dagegen auf. In einer ersten Phase im Vorfeld der eigentlichen Datenverarbeitung in der Cloud erklärten sie die Inhaber der Bits und Bytes für deren Sicherheit verantwortlich. Erst nach dem erfolgten Transfer in ihre eigenen Rechenzentren sähen sie sich selbst zuständig. Dies sei nicht im Sinne der EU-Datenschutzrichtlinie.

Von einer staatlichen Regulierung von Cloud Computing riet Jörn Kruse, Volkswirtschaftler an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg, angesichts solcher Spitzfindigkeiten und rechtlicher Fallstricke derzeit generell ab. Der Markt erledigt seiner Ansicht nach Probleme mit dem Datenschutz allein: "Wer keine sicheren Leistungen anbietet, wird keine Kunden bekommen." Um dem Nutzer Anhaltspunkte für seine Anbieterwahl zu geben, seien spezielle ISO-Zertifizierungen und Gütesiegel aber sinnvoll. Als nicht sonderlich wichtig aus ökonomischer Sicht bezeichnete es der Abgesandte des Europäischen Forums für Nachhaltigkeit und Entwicklung (EFNE), ob die Cloud-Rechenzentren in Europa, den USA oder etwa Asien stehen. Entscheidender sei, "was damit an Wertschöpfung generiert wird". Dies habe der langjährige Wettlauf um die besten Standorte für die Chipentwicklung gezeigt. Die Siliziumbauteile seien längst zur Massenware geworden, ihre Fertigung mache sich volkswirtschaftlich kaum bemerkbar.

Anderer Meinung war Bernd Becker, Vorsitzender der Branchenvereinigung EuroCloud. Ihm zufolge gibt es in Europa zwar außer SAP keinen Global Player in den Bereichen IT und Cloud. Die großen einschlägigen US-Anbieter verfügten zudem über Rechenzentren, die "17 Fußballfelder groß seien" und die Datenverarbeitung in den Wolken so fast zum Nulltarif anbieten könnten. Kein europäischer Mittelständler sei in der Lage, preislich dagegen anzustehen. Wer seine Daten einem solchen anvertraue, sei jedoch rechtlich auf der sichereren Seite. Mit schierer Größe könnten europäische Cloud-Betreiber nicht mithalten; sie könnten aber mit Zuverlässigkeit und dem Datenschutzniveau punkten.

Ein deutscher Auftraggeber einer externen Datenverarbeitung unterliegt Becker zufolge der Verpflichtung im Bundesdatenschutzgesetz, einen vertrauenswürdigen Dienstleister dafür zu finden. Die übergegeben Informationen müssten zudem im EU-Gebiet gespeichert werden. Microsoft etwa betreibe daher ein Rechenzentrum in Dublin und eine Ausfalleinrichtung in Amsterdam. Trotzdem könnten die Redmonder nicht ausschließen, dass die US-Behörden auf Basis des Anti-Terror-Gesetzes Patriot Act auf Daten von Europäern zurückgreifen dürften. Sein Verband empfehle Kunden daher immer mindestens eine europäische Alternative zu den großen US-Anbietern. Er vergebe zudem bereits Gütesiegel, bei dem die Dienstleistungsverträge Punkt für Punkt den jeweiligen nationalen Rechtsrahmen der Auftraggeber gegenüber gehalten würden.

Als prekär bezeichnete der EuroCloud-Vertreter den Trend, dass Amazon, Google und Co. Entwicklern verstärkt besonders kostengünstige oder gar kostenlose "Developer-Clouds" als Experimentierstätten anböten. Dabei entstehende Anwendungen würden dann auch im Rahmen der Kommerzialisierung weiter in diesen Umgebungen betrieben, die "nicht zwangsläufig in Europa" stünden. Damit drifte die Wertschöpfung eben doch weg. Die Bundestagsabgeordnete Nadine Schön (CDU) räumte ein, dass "die rechtlichen Rahmenbedingungen noch nicht stimmen". Die Technologie sei wieder einmal weiter als die Politik. Über Änderungen und eventuell nötige gesetzliche Anpassungen müsse daher zunächst auf EU-Ebene und später weltweit nachgedacht werden. (jk)