Kanada: Grundsatzurteil zu Hyperlink-Haftung

Das einfache Setzen eines Links bedeutet nicht, das verlinkte Material zu veröffentlichen. Damit scheidet eine Haftung für die über den Link erreichbaren Inhalte aus, entschied der oberste Gerichtshof Kanadas.

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Ein Grundsatzurteil über die Haftung für Hyperlinks hat der Supreme Court, Kanadas oberster Gerichtshof, gefällt. Das einfache Setzen eines Links bedeutet demnach nicht, das verlinkte Material zu veröffentlichen. Damit scheidet eine Haftung für die über den Link erreichbaren Inhalte aus – sehr zur Erleichterung von kanadischen Website-Betreibern aller Art. Die Richter weisen aber darauf hin, dass unter bestimmten Umständen eine Haftung durchaus in Betracht kommen könne, dies aber in dem vorliegenden Verfahren Crookes vs. Newton (2011 SCC 47) nicht zu beurteilen war.

Jon Newton betreibt die Website P2Pnet.net, die sich auch mit Fragen der freien Meinungsäußerung beschäftigt. Als der Ex-Grünen-Politiker Wayne Crookes im Jahr 2006 zahlreiche Einzelpersonen, Unternehmen wie Google und Yahoo, aber auch die Wikimedia Stiftung mit Klagen wegen Verleumdung bedachte, berichtete Newton darüber. Crookes betrachtet bestimmte über ihn verbreitete Nachrichten als üble Nachrede und möchte sie aus dem Internet verbannt wissen. Auch die Berichterstattung über die von ihm angestrengten Gerichtsverfahren stieß ihm auf. Er forderte Wayne auf, zwei Links aus seinem Artikel zu löschen. Newton weigerte sich, Crookes klagte.

"Bin ich nervös? Natürlich. Aber ich habe keine Wahl", sagte Newton vergangenen Freitag, "Ich schreibe seit Jahren über Meinungsfreiheit, und als Crookes verlangte, dass ich einen Link zu einem Link, der zu Online Postings (…) linkte, lösche, hatte ich keine Wahl außer zu verweigern." Newton fand einen Anwalt, der für Gottes Lohn arbeitete, aber alleine die zu bezahlenden Auslagen lasten schwer auf der Familienkasse. Nun muss Crookes zumindest einen Teil ersetzen.

Denn nach zwei Provinzgerichten hat auch der Supreme Court für Newton entschieden – und zwar im Ergebnis einstimmig. "Hyperlinks sind, im Kern, Quellenangaben", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von sechs der neun Richter. Doch könnte sich der verlinkte Inhalt jederzeit ändern. Darüber habe der Linksetzer keine Kontrolle. Hyperlinks würden wie Quellenangaben nur mitteilen, dass etwas existiert, diesen Inhalt aber nicht selbst kommunizieren. Dass der Zugriff leichter sei als bei einer gedruckten Fußnote ändere nichts daran, dass ein Link neutral sei: Er vertrete keine Meinung und habe keine Kontrolle über das verlinkte Material.

Diese sechs Richter wiesen aber auch auf die Grenzen ihrer Entscheidung hin: Wenn der Setzer eines Link Teile des verlinkten Material präsentiere und so verleumderische Inhalte wiederhole, sei er als Veröffentlicher (Publisher) zu betrachten und damit unter Umständen haftbar. Die bestehenden Regeln verdienten in Zukunft genauere Überprüfungen.

Zwei weitere Richter unterstützen das Ergebnis ihrer Kollegen, sind aber im Detail anderer Auffassung: Wenn der Text, aus dem verlinkt werde, das verlinkte Material gutheiße, solle dies eine Veröffentlichung (im rechtlichen Sinne) darstellen. Zudem werfen diese beiden Juristen eine Frage auf, die sie hier aber nicht zu entscheiden hatten: Wie sind Funktionen zu beurteilen, die einen verlinkten Inhalt automatisch auf der verlinkenden Seite oder in einem eigenen Frame einblenden, mit geringer oder gar keiner Veranlassung durch den Nutzer?

Der neunte Richter sprach sich deutlich gegen eine "Immunität" für Verweise im Internet aus. Ein Link sei eben keine Quellenangabe in einer gedruckten Fußnote. Letzterer zu Folgen erfordere viel Aufwand seitens des Nutzers, ein Deep Link aber nur einen Klick. Wenn ein vorsätzlich gesetzter Link verleumderisches Material leicht zugänglich mache, sei das eine Veröffentlichung der Verleumdung. Einer der beiden umstrittenen Links falle unter diese Kategorie. Da der Kläger aber nicht nachgewiesen habe, dass überhaupt jemand außer ihm selbst diesem Link gefolgt ist, sei die Klage abzuweisen. Aber auch sonst gäbe es unter Umständen noch Argumente gegen eine Haftung, etwa wenn sich das Ziel des Links ohne Wissen des Linksetzers geändert habe, wenn es sich um faire Kommentare handle oder wenn Angelegenheiten öffentlichen Interesses verantwortlich kommuniziert werden. Letzteres hätte, so der neunte Richter, ein verteidigendes Argument sein können.

Ob die über Crookes verbreiteten Informationen tatsächlich rechtswidrig sind, ist offen. Hierzu laufen noch mehrere Gerichtsverfahren. Crookes vs. Newton war aber der einzige Fall, in dem es nur um Links ging. (jk)