Aufsicht über Netzneutralität auf den Medientagen umstritten

Netzagentur-Vizepräsidentin Iris Henseler-Unger meinte auf dem Infrastrukturgipfel in München, mit der Netzneutralität werde gegenwärtig ein "Luxusproblem" diskutiert. Ein Vertreter der Landesmedienanstalten forderte hingegen eine gesetzliche Regelung.

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Von
  • Monika Ermert

Iris Henseler-Unger, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, vertrat auf dem Infrastrukturgipfel der Münchner Medientage die Meinung, mit der Netzneutralität werde in Deutschland derzeit ein "Luxusproblem" diskutiert. Aktuell sei eine Regulierung unnötig. Bisherige Verstöße gegen das Neutralitätsprinzip seien im bestehenden gesetzlichen Rahmen lösbar gewesen. Damit schlug sich Henseler-Unger auf die Frage auf die Seite der Regierungskoalition, die in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft so votiert hatte. Es sei allerdings im novellierten Telekommunikationsgesetz versäumt worden, festzulegen, wer Missbräuche überwacht. Derzeit werden Beschwerden von Nutzern von europäischen Bürgerrechtsorganisationen in Eingeninitiative auf dem Portal Respect my Net gesammelt.

Die Missbrauchsaufsicht jetzt schon zuzuweisen hatte Thomas Fuchs gefordert, Vorsitzender der Konferenz der Landesmedienanstalten. Im Gegensatz zu Henseler-Unger votierte er für eine gesetzliche Regelung zur Neutralität des IP-Netzes. Die Medienanstalten vertraten Anfang des Jahres in einem Thesenpapier (PDF-Datei) wie nun Fuchs die Auffassung, eine "inhaltebezogene Priorisierung würde finanzstarke und verhandlungsmächtige Anbieter zulasten kleinerer und innovativer Anbieter bevorzugen, zumindest mache sie Diskriminierung möglich, die regulatorisch nur schwer zu erfassen wäre. Verlange ein Netzbetreiber nämlich ein Entgelt dafür, dass er bestimmte Inhalte überhaupt, schneller oder in besserer Qualität transportiere, ginge die klassische Offenheit des Internets verloren.

Die Medienanstalten richten ihren Blick nicht nur auf Netzanbieter, die zu Inhalteanbietern mutieren, sondern auch auf jene, die der klassischen Klientel der Medienanstalten, dem privaten Rundfunk im Netz Konkurrenz macht. Sie veröffentlichten nun Kriterien dafür, wer sich als Web-TV-Sender lizenzieren lassen muss.

Vertreter der Deutschen Telekom und Kabel Deutschland waren wie Henseler-Ungers der Ansicht, man könne nicht eine Regulierung aus alten Netzen einem neuen, gerade erst entstehenden Netz überstülpen. Wolfgang Kopf, bei der Telekom Leiter des Zentralbereichs Politik und Regulierung, und Christoph Clément, Mitglied der Geschäftsleitung bei Kabel Deutschland, unterstrichen, es gebe aktuell einfach nichts zu regulieren, der Markt werde Neutralitätsverstöße ahnden. Beide erläuterten allerdings, dass sie verschiedene Diensteklassen anbieten und nicht nur beim Nutzer, sondern auch beim Inhalteanbieter kassieren wollten. Kopf sprach etwa von "Hochsicherheitsangeboten", die man beispielsweise der Telemedizin machen wolle. Sorgen um ein neutrales Netz müsse man sich dennoch nicht machen, denn das "best-effort-Internet" bleibe erhalten.

Wenn man auf den Markt und den Wettbewerb vertraue, müsse man sicherlich die "Wechselproblematik" für die Nutzer in Griff bekommen, sagte Henseler-Unger gegenüber heise online. Die Netzagentur werde sich demnächst zudem auch mit den viel diskutierten Diskrepanzen zwischen verkauften und tatsächlichen Bandbreiten der Netzbetreiber beschäftigen. Nicht immer müsse gleich die Regulierungskeule ausgepackt werden, vielmehr gebe es auch die Alternative, Diskussionen zu möglichen Problemen in Gang zu setzen. (anw)