Bundestagsabgeordnete stellen sich gegen neue Lauschverordnung

Im Unterausschuss Neue Medien sind sich die Fachpolitiker einig, dass der Entwurf für die Novelle der Telekommunikations-Überwachungsverordnung nicht verabschiedungsfähig ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 46 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Der überarbeitete Entwurf für die geplante Novelle der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) stößt bei Fachpolitikern im Bundestag auf einhellige Ablehnung. Ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums, das federführend für das Telekommunikationsgesetz (TKG) und die sich daraus ableitende Abhörverordnung zuständig ist, hatte am gestrigen Donnerstag im Unterausschuss Neue Medien des Parlaments das Vorhaben vorgestellt. Sein Vortrag ließ bei den Mitgliedern des Gremiums allerdings zahlreiche Fragen offen.

"Wir sehen sehr viele Probleme bei der TKÜV", erklärte Martina Krogmann, Internetbeauftragte der CDU/CSU im Anschluss an die Sitzung gegenüber heise online. Auch Jörg Tauss, medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hält das aktuelle Papier "trotz punktueller Verbesserungen in wichtigen zentralen Fragen" für "nicht akzeptabel". Seiner Ansicht nach bleiben die "technischen, rechtlichen und auch finanziellen Implikationen der vorgesehenen Maßnahmen" weiterhin "bestenfalls unklar". Ohne eine zeitgleiche Entschädigungsverordnung, wie sie im TKG durch die Koalitionsfraktionen explizit verankert worden ist, dürfe die TKÜV auf keinen Fall in Kraft treten.

Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen, hat ebenfalls Einwände gegen die Lauschparagraphen: sie befürchtet, dass daraus "verstärkte Abhörmaßnahmen folgen, ohne dass es zu einer ausgewogenen Bewertung von Aufwand und Ertrag kommt." Ihr Kollege von der FDP, Hans-Joachim Otto, hatte sich schon im Sommer klar gegen die neuen Versuche positioniert, den Datenschutz auszuhebeln und die Wirtschaft zu belasten.

Konkret bemängeln die Abgeordneten insbesondere, dass die Rechtsgrundlage zur so genannten "Auslandskopf-Überwachung" völlig unklar sei. Bei der jetzigen TKÜV-Fassung könnte man jedem Staatsanwalt die gleichen Mittel zugestehen wie den Geheimdiensten, sorgt sich Tauss. Zudem gehe dieses Instrument offenbar von einem verfehlten technischen Modell der Telekommunikation mit dem Ausland aus und lasse die Umstellung der Anbieter auf einen internetbasierten Datenverkehr außer Acht. Fraglich scheint den Parlamentariern auch der Ansatz, die genaue Bestimmung der "Kennungen", die grundsätzlich überwachbar sein müssen, in die Technische Richtlinie zu verlagern. Ebenso sorgt die Einbeziehung von "Nutzungsberechtigten" bei der Feststellung des Kreises der Firmen, die teure Überwachungsboxen permanent vorhalten müssen, den Medien- und Telekommunikationsexperten zufolge für enorme Rechtsunsicherheit.

Die Fachpolitiker im Unterausschuss wollen sich nun zusammensetzen, um einen interfraktionellen Antrag gegen die TKÜV-Pläne festzuklopfen. Die Union und die FDP haben bereits ihre Mitwirkung angezeigt. "Damit könnten wir ähnlich wie bei den Softwarepatenten ein klares Signal an die Exekutive senden, dass die Legislative die Verordnung nicht mit trägt", erläutert Krogmann das Vorhaben. An sich bedarf die TKÜV nicht der Zustimmung des Bundestags, muss aber vom Bundesrat abgesegnet werden. Sollten sich noch Änderungen ergeben, müsste Brüssel die Lauschverordnung nach Ansicht von Experten erneut auf die Vereinbarkeit mit EU-Recht prüfen. Der Plan der Bundesregierung, durch das Vorziehen dieser Prozedur Fakten zu schaffen, könnte angesichts der Probleme mit dem Parlament so nach hinten los gehen. (Stefan Krempl) / (jk)