Hartz IV-Software: Widersprüche bisher größtenteils berechtigt

Die Software sei so schlecht, dass nicht einmal die Auszahlungen festgestellt werden können, beklagen sich Sachbearbeiter über die Software für das Arbeitslosengeld II.

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Von
  • Detlef Borchers

Von 9300 bearbeiteten Widersprüchen, die im Januar gegen die Bescheide zum Arbeitslosengeld II (Alg-II) eingelegt wurden, waren 5100 berechtigt. Dies teilte heute die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mit. Insgesamt sollen sich 141.000 Widersprüche in der Bearbeitung befinden. Die Gesamtzahl der Alg-II-Empfänger beläuft sich auf 4,09 Millionen. Nach Auskunft der Bundesagentur könne man nicht von der Quote der erfolgreichen Widersprüche auf eine Gesamtzahl fehlerhafter Bescheide schließen, weil fehlendes Datenmaterial aus den so genannten Optionskommunen einen genauen Überblick verhindere. In diesen Kommunen werden die betroffenen Arbeitslosen in Eigenregie betreut. Entsprechend sind ihre Daten (noch) nicht in der bundesweit eingesetzten Software A2ll erfasst, die für die Auszahlung des Alg-II programmiert wurde.

Die Quote der fehlerhaften Bescheide wird unter anderem mit der zu kurzen Einarbeitungsphase in die komplexe Software begründet. Dies wird mit der Hoffnung verbunden, dass mit der weiteren Einarbeitung in A2ll die Fehlerquote sinken werde und entsprechend weniger fehlerhafte Bescheide ausgestellt werden.

Über die Qualität der Software urteilen die betroffenen Sachbearbeiter jedoch recht negativ. Die Süddeutsche Zeitung berichtete von einer Versammlung von 700 Mitarbeitern der Stadt München, die mit der Umsetzung von Hartz IV beschäftigt sind. Sie wollen mit einem Brandbrief an Wirtschaftsminister Clement auf die ihrer Meinung nach unhaltbaren Zustände aufmerksam machen: "Die Software ist so schlecht, dass nicht einmal die Auszahlungen festgestellt werden können", schreibt die Zeitung und zitiert einen Sachbearbeiter, der froh wäre, "wenn das System nur Kinderkrankheiten hätte, aber es ist viel schlimmer". Kurz zuvor hatte bereits der Personalrat der Berliner Verwaltungen einen Brief an Clement geschickt, der auf die Diskrepanz zwischen den ministeriellen Erfolgsmeldungen über Hartz IV und der Lage vor Ort aufmerksam machen sollte.

Unterdessen wurde bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorerst nicht die Vereinbarkeit von Hartz IV mit dem Grundgesetz prüft. Verfassungsrichter Udo Steiner bezeichnete auf dem Jahrespresseempfang des Gerichtes die bisher eingangenen Anträge als substanzlose Klagen. Über die anhängigen Musterklagen an Sozialgerichten werde sich das Verfassungsericht aber noch mit Hartz IV befassen, sollten diese Gerichte eine Klage als Richtervorlage nach Karlsruhe schicken. Klagen bis zur höchsten Instanz wollen der Arbeitslosenverband in der Frage der 1-Euro-Jobs und der Sozialverband Deutschlands in der Frage der so genannten 58+-Regelung, durch die Arbeitnehmer schon vor der Rente aus dem Beruf ausscheiden konnten. (Detlef Borchers) / (jk)