CDU/CSU-Fraktion liebäugelt mit zentraler Speicherung biometrischer Daten

Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der Union, kann sich eine zentrale Erfassung biometrischer Merkmale aus Ausweisdokumenten als "nützlich" vorstellen, während Datenschützer verfassungsrechtliche Bedenken anmelden.

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Hans-Peter Uhl, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, kann sich eine zentrale Erfassung biometrischer Merkmale für Ausweisdokumente als "nützlich" vorstellen. Damit könnte seiner Ansicht nach verhindert werden, dass ein Krimineller sich nach einem Umzug mehrfach Pässe oder Personalausweise auf andere Namen besorge, sagte der CSU-Politiker auf einem Symposium des Bundesdatenschutzbeauftragten zum Thema "Biometrie und Datenschutz – Der vermessene Mensch" am Dienstag in Berlin. Generell gab der CSU-Mann die Losung aus: "Als Sicherheitspolitiker hat man Interesse an möglichst vielen Daten und Datenabgleich, da man damit Sicherheit produzieren kann." Eine Verwendung der biometrischen Daten für weitergehende Kontrollzwecke müsse aber "gründlich vorbereitet" werden. Über Grenzen, die das Grundgesetz der Datennutzung setze, würde er gern "sensibilisiert" werden.

Mit der bereits erfolgten Aufnahme digitaler Gesichtsbilder in die neue deutsche Passgeneration hat Uhl keine Probleme. "Da wir die Gesichtsfelderkennung schon verwenden, sehe ich hier keinerlei Grundrechtseingriff." Das Passfoto werde einfach nur digital erfasst. Wenn das Ergebnis der Brüsseler Einigung auf die Einführung biometrischer Merkmale in die Reisepässe der EU-Bürger sich als "unerträglich" herausstelle, müsste es der Bundestag überprüfen. Aber derlei Kritik sei ihm noch nicht zugetragen worden.

In Deutschland geben die Einwohnermeldeämter seit November die so genannten ePässe aus. Von 2007 an sollen diese neben dem biometrischen Gesichtsbild auch mit einem digitalen Fingerabdruck des Inhabers aufgerüstet werden. Zudem bereitet die Große Koalition eine Novelle des Personalausweisgesetzes vor, der zufolge auch in diese Dokumente zur Identitätsfeststellung biometrische Daten aufgenommen und mit Funktionen für die elektronische Signatur gekoppelt werden sollen. Dabei hat das federführende Bundesinnenministerium die Frage aufgeworfen, inwiefern die sensiblen Informationen über die persönlichen Körpermerkmale kommerziellen Anbietern offen stehen sollen. Entsprechende Wünsche aus der Industrie werden von Informatikervereinigungen vehement abgelehnt.

Oppositionspolitikerinnen zeigten sich auf dem Datenschutzsymposium äußerst skeptisch gegenüber der Regelung für die ePässe und den geplanten Ausweitungen im Bereich der Personalausweise. "Ich möchte bei internationalen Reisen nicht, dass in Staaten ohne Schutzgarantien mein Fingerabdruck ausgelesen wird und ich jede Möglichkeit verliere zu erfahren, was damit passiert", betonte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Silke Stokar. Angesichts von Vorführungen, laut denen der RFID-Chip zur Speicherung der biometrischen Merkmale im holländischen Pass bereits "von Jugendlichen geknackt" wurde, müssten Ängste vor Identitätsdiebstählen ernst genommen werden. Dass es keinerlei Abstimmung über die Einführung der Biometriepässe im Bundestag gab und die Innenminister die entsprechende Verordnung allein über den EU-Rat forcierten, ist für Stokar zudem nach wie vor ein "Lehrstück" über die Ausschaltung von Parlament und Bevölkerung auch in einer Demokratie.

Gisela Piltz und Petra Pau, Innenpolitikerinnen der FDP beziehungsweise der Linkspartei im Bundestag, sprachen sich für ein Moratorium bei der Ausgabe der ePässe aus. Angesichts der Sicherheitsprobleme müsste man zunächst die Tücken der Technik in den Griff bekommen. Pau stellte auch den Ansatz in Frage, dass die Zusammenführung von Daten mehr Sicherheit schaffe. Ein Besuch bei US-Behörden habe gezeigt, dass mit den dort getätigten Praktiken zum Data Mining vielmehr die Liste der Probleme mit Verwechslungen etwa von Namen immer länger geworden und die Fehlerquote gestiegen sei. Uhl begegnete den Sorgen Stokars vor dem unerwünschten Auslesen der Passdaten auf Reisen dagegen mit der Aufforderung: "Dann bleiben Sie halt zu Hause."

Alexander Rossnagel, Rechtsprofessor an der Universität Kassel, bemühte sich um die verfassungsrechtliche Einschätzung. Um mit dem vom Bundesverfassungsgericht immer wieder hoch gehaltenen Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar zu sein, müssen die in Form eines Gesetzes zu beschließenden Maßnahmen zur biometrischen Erfassung der Bevölkerung ihm zufolge "geeignet, erforderlich und zumutbar sein". Das Gesichtsbild zähle ferner zu den laut Bundesdatenschutzgesetz "besonders schützenswerten Daten", da Rückschlüsse auf Rasse oder ethnische Herkunft daraus abzuleiten seien. Hier bedürfe es einer ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen zur Datenverarbeitung. Der Jurist plädierte dafür, im Rahmen der anstehenden Modernisierung des Datenschutzrechts die Transparenzanforderungen bei Biometrie einheitlich zu regeln. So sei etwas klarzustellen, dass Informationen über Körpermerkmale nur mit Mitwirkung des Betroffenen erhoben werden dürften. Die erforderliche Zweckbindung der biometrischen Daten sollte zudem genauso wie im Fall der Weitergabe von Patientendaten strafrechtlich abgesichert werden.

Bei der zentralen Speicherung biometrischer Merkmale meldete Rossnagel starke Zweifel an der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme an. "Bisher hat es mit anderen Mitteln gereicht, eine Mehrfachpassausstellung zu verhindern", erläuterte er. Das deutsche Passwesen zeige sich schon heute durch eine "sehr hohe Zuverlässigkeit" aus. Ein eventuell weiterer Sicherheitsgewinn rechtfertige es nicht, "biometrische Daten aller Bürger an zentraler Stelle mit hohem Missbrauchsrisiko zu speichern". Die Risiken des unautorisierten Zugriffs und der Zweckentfremdung der Daten seien dabei zu groß. Die Bundesregierung ermunterte Rossnagel, der ihr von Karlsruhe auferlegten Sorgfaltspflicht zum Schutz der Grundrechte im Rahmen von internationalen Standardisierungsprozessen und Vereinbarungsabschlüssen rund um die ePässe besser nachzukommen.

Der Grazer Rechtsphilosoph Peter Strasser hatte zuvor gewarnt, die bewusste "Selbstblendung" des Staates zum Schutz der Privatsphäre der Bürger nicht durch eine schleichende Entwicklung hin zu einer "Überwachungsdemokratie" auszutauschen. Andererseits könnten gerade im Hinblick auf die Biometrie wieder Kontrollversuche an Bedeutung gewinnen, Menschen "lasterhaftes Verhalten" buchstäblich von der Nasenspitze abzulesen.

Zur Einführung des ePasses und den Auseinandersetzungen um Ausweise mit digitalisierten biometrischen Merkmalen siehe den Online-Artikel in c't – Hintergrund (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online sowie in c't, Technology Review und Telepolis):

(Stefan Krempl) / (jk)