Stadt München: Linux läuft auf dem Arbeitsplatz

Die Projektstelle LiMux der bayerischen Hauptstadt verwehrt sich gegen Vorwürfe der Berliner Senatsverwaltung, wonach ihre Migration hin zu Open Source an der Wirklichkeit gescheitert sei.

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Die Projektstelle LiMux der Stadt München verwehrt sich gegen Vorwürfe der Berliner Senatsverwaltung, dass ihre Migration hin zu freier Software in einem Anfangsstadium stecken geblieben sei. "Open-Source-Software auf dem Arbeitsplatz ist in München Wirklichkeit", erklärte Projektleiter Peter Hofmann gegenüber heise online. Seine Abteilung habe Ende Mai der Öffentlichkeit den künftigen Basis-Client auf einem Informationstag vorgestellt. Derzeit werde im Rahmen einer Pilotphase mit dem Softwarepaket gearbeitet. Zu den etwa 100 Pilotanwendern gehören der Oberbürgermeister Christian Ude nebst seiner Stellvertreterin Christine Strobl. Weiterhin arbeitet laut Hofmann bereits "die überwiegende Zahl der Nutzer" der Stadtverwaltung mit einzelnen Open-Source-Programmen "unter dem noch vorherrschenden Betriebssystem Microsoft Windows", etwa beim Web-Browsen, bei der E-Mail-Kommunikation oder der Grafikbearbeitung.

Berlins IT-Staatssekretär Ulrich Freise erklärte vergangene Woche im Berliner Abgeordnetenhaus, er habe von einem Manager in München erfahren, dass die Migration hin zu Linux dort "an der Wirklichkeit gescheitert" sei. Ferner hat die Senatsverwaltung in einer Stellungnahme gegen die vom Berliner Parlament beschlossene komplette Umrüstung der Verwaltungsrechner in der Hauptstadt auf freie Software behauptet, dass mit der eigentlichen Umstellung in München auch nach vierjähriger Vorbereitung noch nicht begonnen worden sei. "Es ist uns ein Rätsel, wie der Berliner Senat zu dieser Einschätzung kommt", betonte Florian Schießl aus dem LiMux-Projektbüro im Gespräch mit heise online. Offizielle Gespräche zwischen den beiden Verwaltungen habe es nicht gegeben. Die Münchner Seite versuche gerade im Rahmen einer Anfrage, die Sachlage und die entstandenen Irritationen richtig zu stellen.

Im Herbst wollen die Münchner Version 1.0 des Basis-Clients offiziell in Betrieb nehmen. Die Beta-Variante verfügt unter anderem über ein "Wollmux" getauftes System für Textbausteine, mit dem sich Briefköpfe und Formulare vorfertigen lassen. Es ist in Java programmiert und somit plattformunabhängig ausgerichtet, wobei es im konkreten Fall mit OpenOffice als Applikation zusammenarbeitet. Strobl zeigte sich nach ersten Klicks in der neuen Desktop-Umgebung von der Benutzerfreundlichkeit überrascht: "Das sieht jetzt wirklich nicht so anders aus, als dass ich mich umschulen lassen müsste", freute sich die Bürgermeisterin.

Nicht verheimlichen wollen die Münchner aber auch, dass "nicht alles eitel Sonnenschein" ist. Die neue Ausrichtung von Fachverfahren "bedeutet viel Aufwand", weiß Schießl. "Hier setzen wir in erster Linie auf plattformunabhängige Lösungen, bevorzugt Web-Lösungen", ergänzt Hofmann. "Wo dies nicht möglich oder unwirtschaftlich ist, verwenden wir Zwischenlösungen." Diese würden die notwendige Fachsoftware etwa über Emulatoren auch unter dem linuxbasierten Basis-Client verfügbar machen und teure Neuinvestitionen vermeiden.

Generell sollen in der bayerischen Hauptstadt nicht alle PC-Arbeitsplätze auf Linux umgestellt werden, sondern rund 80 Prozent. Bei den verbleibenden Rechnern ist laut Hofmann eine Migration derzeit technisch nicht möglich oder unwirtschaftlich. Von Anfang an sei die "weiche Migration" über den Zeitraum von 2004 bis 2008 geplant gewesen, nicht zuletzt um für die Umstellung der rund 300 Fachverfahren ausreichend Zeit investieren zu können. Viel genutzte Applikationen wie etwa zur Kfz-Anmeldungen oder für Dienste des Einwohnermeldeamts laufen nach Angaben Schießls bereits webbasiert und plattformoffen.

Verzögerungen habe es gegeben, geht Hofmann weiter auf die Kritik der Berliner ein. Eine wichtige Ausschreibung sei etwa im Herbst 2004 verschoben worden, da es in der Stadtverwaltung Bedenken zu potenziellen Auswirkungen der geplanten, letztlich vom EU-Parlament aber abgelehnten EU-Richtlinie über die Patentierbarkeit von Software gegeben habe. Im Anschluss habe sich die Vergleichbarkeit der Angebote des Vergabeverfahrens komplexer als erwartet gestaltet, sodass eine weitere Verhandlungsrunde durchgeführt wurde, erläutert der Projektleiter. Seitdem befände man sich aber auf einem guten Weg. (Stefan Krempl) / (anw)