Die Twitter-Besetzung

Die "Occupy"-Bewegung nutzt offensiv und erfolgreich soziale Netzwerke. Das Werkzeug SocialFlow kartographiert die Arbeit der Aktivisten.

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Von
  • Mike Orcutt

Die "Occupy"-Bewegung nutzt offensiv und erfolgreich soziale Netzwerke. Das Werkzeug SocialFlow kartographiert die Arbeit der Aktivisten.

Fernsehkameras und Zeitungsreporter berichten seit Wochen über die "Occupy"-Bewegung, die an der Wall Street ihren Ausgang nahm und mittlerweile zu einem globalen Phänomen geworden ist. Entstanden ist die Protestaktion aber im Internet: Hier fanden sich Aktivisten erstmals zusammen und hier entwickelten sie anfangs ihre Ideen. Das lässt sich mit Daten belegen: SocialFlow, ein Start-up, das Social-Media-Analysesysteme entwickelt, hat aus zahllosen Nachrichten, die bei Twitter zum Thema entstanden, Visualisierungen geschaffen. Das Ergebnis: Die "Occupy"-Bewegung breitete sich schnell über Multiplikatoren aus und durchdrang große Teile des Kurznachrichtendienstes.

Die erste Verwendung des Hashtags "#OccupyWallStreet", das die Nachrichten zum Thema kennzeichnet, wurde für ein Blogposting vom 13. Juli verwendet, das das werbekritische Netzwerk Adbusters verfasst hatte. "Das Netzwerk der Twitter-Nutzer, die dieses Hashtag verwendeten, war anfangs noch dünn gesät", erläutert SocialFlow-Forschungsleiter Gilad Lotan. Bekannte Mainstream-Medien beteiligten sich an diesem Dialog damals noch nicht. Auch 10 Tage nach der ersten Nutzung von "#OccupyWallStreet" hielt sich die Zahl der einzelnen Nachrichten noch in Grenzen. Doch immerhin nahm die Anzahl der Retweets, also das Wiederholen von Botschaften zum Thema, schnell zu.

In den folgenden Wochen breitete sich das Thema in der gesamten Twittersphäre aus. Als die Polizei von New York City am 13. Oktober plante, die Hauptproteststätte im Zuccotti Park in der Nähe der Wall Street aufzulösen, wuchs die Menge an Menschen, die über die "Occupy"-Bewegung bei Twitter sprachen, enorm. Medienorganisationen wie die "Hufftington Post" oder Journalisten wie Keith Olbermann wurden plötzlich zu den einflussreichsten Diskussionsteilnehmern.

Werkzeuge wie SocialFlow stehen erst ganz am Anfang, was die Analyse der gigantischen Datenmengen anbetrifft, die tagtäglich in sozialen Netzwerken anfallen. Die Zahl der Anbieter wächst. So nutzt beispielsweise Bluefin Labs Meinungen bei Twitter, um neue Erkenntnisse in den Bereichen Politik, Werbung und Unterhaltungsmedien zu gewinnen.

SocialFlow hat dabei Zugriff auf den "Fire Hose"-Dienst von Twitter genauso wie auf ähnliche Angebote des populären Linkdienstes bit.ly. Jedes einzelne öffentliche Posting kann darüber untersucht werden, die Firma sitzt direkt am virtuellen Feuerwehrschlauch. Das ist Nachrichtenmedien wie dem "Economist" ebenso Geld wert wie Markenartiklern wie Pepsi, die über Twitter und anderen sozialen Medien ihre Kundschaft erforschen wollen: Was denken die Menschen?

Um die Verbreitung der eigenen Botschaft zu optimieren, müsse man zunächst einmal verstehen, wer einem in den sozialen Netzwerken folgt und wer einem Aufmerksamkeit schenkt, meint SocialFlow-Forschungsleiter Lohan. "Auch Tageszeit, Begriffswahl und die Sprache eines Tweets sind wichtig – genauso wie die Thematik." Online seien die Brücken zwischen getrennt operierenden sozialen Netzwerken stets einzelne Menschen – genauso wie in der Offline-Welt. "Damit eine Botschaft über das Netzwerk des Urhebers hinausreicht, müssen solche Brückenpersonen sie erst einmal kennenlernen und anschließend weiterleiten wollen."

Einzelne Tweets und Hashtags, die sich schnell verbreiten, sind für Firmen wie SocialFlow dementsprechend ein Geschenk des Himmels: Sie erlauben es, Licht ins Dunkel zu bringen, wie sich Botschaften vom ursprünglichen Autor in die Welt ausbreiten. "Ein Rezept für solche viralen Nachrichten gibt es nicht", sagt Lohan. Optimierungen seien nur Schritt für Schritt möglich. ()