Medica: Eine "Alternative 2012" für die Gesundheitskarte

Auf der Medizinmesse in Düsseldorf diskutiert die Branche über einen Vorschlag des Spitzenverbands der Krankenkassen, die Online-Anbindung zum Stammdatenabgleich der Gesundheitskarte vorzuziehen.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf der Medizinmesse Medica in Düsseldorf legt die elektronische Gesundheitskarte (eGK) einen kuriosen Nicht-Start hin: Zwar werden nach den Vorschriften des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes noch in diesem Jahr 10 Prozent der Versicherten gesetzlicher Krankenkassen mit der neuen Karte ausgestattet, doch was aus dem Gesamtsystem wird, ist noch völlig offen. Am 4. Dezember entscheidet die Gesellschafterversammlung der Gematik über eine "Alternative 2012": Das ist ein Vorschlag des GKV-Spitzenverbandes, die Online-Anbindung zum Stammdatenabgleich der Gesundheitskarte so vorzuziehen, dass sie flächendeckend im Jahr 2012 möglich ist.

"Die Alternative 2012 ist alternativlos", befand Rainer Höfer vom GKV-Spitzenverband auf einer Podiumsdiskussion der Medica zur weiteren Entwicklung der medizinischen Telematik. Der schnellstmögliche Online-Anschluss der Praxen zur Kontrolle der Versichertendaten auch ohne den von der Gematik spezifizierten Praxis-Konnektor sei wichtig, um den Kartenmissbrauch einzudämmen. Höfer betonte, dass mit der Online-Anbindung dank Alternative 2012 das Kartensperrmanagement so effektiv arbeiten könne wie bei Bank- und Kreditkarten, die bei Verlust oder Diebstahl binnen weniger Minuten gesperrt würden.

Deutliche Zustimmung zur "Alternative 2012" signalisierte Referatsleiter Matthias Schwanenflügel vom Bundesgesundheitsministerium. Er mahnte aber an, dass die Online-Anbindung der Karten kein Selbstzweck sein dürfe, sondern so schnell wie möglich durch das Speichern der Notfalldaten auf der eGK ergänzt werden müsse, damit die Versicherten den Nutzen der neuen Karte erfahren können. Für das Controlling, ob die gesetzlichen Krankenkassen auch wirklich in diesem Jahr die 10-Prozent-Quote und im nächsten Jahr die 70 Prozent-Quote erfüllen, kündigte Schwanenflügel die Bildung einer speziellen Ermittlungstruppe beim Bundesversicherungsamt an. Die Ermittler sollen mit eigens entwickelten Systemen die Einhaltung der Quoten prüfen.

Gilbert Mohr von der kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein wies auf den Umstand hin, dass inmitten der Diskussion über die "Alternative 2012" niemand mehr von den Tests in den Testregionen rede, die die Praktikabilität der neuen Karten unter Beweis stellen sollten: "Wo wird was getestet und erprobt, das ist für Ärzte wichtig und nicht die Alternative 2012." Franz-Josef Bartmann, Vorsitzender des Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer stellte den neu konzipierten Notfalldatensatz vor, der jetzt Freitextfelder enthält und damit auch für den Kartenbesitzer verständlich sei. Besonders wichtig sei das neue "zweite Fach" des Datensatzes, in dem als Alternative zum zentralen Vorsorgeregister Hinweise auf den Verwahrungsort von Organspende-, Patienten- und Vorsorge-Verfügungen gespeichert werden.

Zur Podiumsdiskussion über die neue Telematik gab es keine Publikumsdiskussion. So wurde Martin Grauduszus, Präsident der eGK-kritischen freien Ärzteschaft nicht mit seinem Einwand gehört, dass sich der Bayerische Ärztetag noch im Oktober in seinen Beschlüssen (PDF-Datei) eindeutig gegen die geplanten Erweiterungen der eGK und den Online-Datenabgleich ausgesprochen hat.

Ein erster Rundgang über die Medica ergab, dass die Software-Hersteller der Krankenhaus- und Praxis-Verwaltungssysteme auf die Verarbeitung der elektronischen Gesundheitskarte eingerichtet sind. Dies trifft allerdings überwiegend nur den Prozess der Übernahme der Stammdaten von der neuen Karte. Schon bei der Software für die Anlage von Notfalldatensätzen hört derzeit die Unterstützung der Praxisverwaltungssystemen (PVS) der Ärzte auf. Auch die nun mögliche Speicherung des Public Keys der eGK des Versicherten in der Patientenakte zum Zwecke einer abgesicherten elektronischen Arzt-Patienten-Kommunikation ist offenbar ein Feature, das die PVS-Hersteller erst in "nächster Zeit" einprogrammieren wollen. (vbr)