Widerstand gegen EU-weite Harmonisierung des Patentsystems

Die EU-Kommission hat das vorläufige Ergebnis ihrer Konsultation zur künftigen Patentstrategie veröffentlicht. Gerade mittelständische Betriebe sprechen sich gegen die Einführung von Softwarepatenten durch die Hintertür aus.

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Die EU-Kommission hat das vorläufige Ergebnis ihrer umstrittenen Konsultation zur künftigen Patentstrategie veröffentlicht (PDF-Datei). Der von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy bevorzugte Kurs einer weiteren "Harmonisierung" des Patentwesens in der EU genießt demnach kaum Unterstützung bei den 2515 abgegebenen Einreichungen von Unternehmen, Verbänden, Forschern und Bürgern. "Die Interessensvertreter sind der Ansicht, dass die Patentierungskriterien faktisch durch eine Reihe internationaler Instrumente harmonisiert sind, wobei das wichtigste darunter das Europäische Patentübereinkommen darstellt", hält die Auswertung fest. Noch verbleibende Fragen im Vorfeld einer Erteilung eines Monopolanspruchs würden nicht als Barrieren für das Funktionieren des Binnenmarkts angesehen.

Generell haben die Umfrageteilnehmer schwere Bedenken zum Ausdruck gebracht, dass eine Reduzierung der Kosten für die Anmeldung und Aufrechterhaltung von Patenten die Zahl der Anträge und somit die Arbeitslast der Patentämter erhöhen würde. Dies könnte ihrer Ansicht nach eine ungünstige Wirkung auf die Qualität der Patentprüfung haben und die Erteilung von Trivialpatenten erhöhen. Regeln zu künftigen EU-weiten gerichtlichen Vereinbarungen müssten überdies Schutzvorkehrungen gegen die "destruktiven Praktiken" von "Patent-Trollen" gerade im Bereich der Kommunikations- und Informationstechnologien haben. Unter den Begriff fasst die Kommission "Anwälte und Investoren, die billig auf Papier bestehende Patente kaufen oder darüber Kontrolle erlangen". Die Trolle könnten mit diesen Monopolansprüchen die ganze Wirtschaft bedrohen, durch einstweilige Verfügungen, unabhängig von der Geringfügigkeit der patentierten Funktion.

Die Industrie, zu denen die Kommission übergeordnete Verbände wie UNICE sowie Branchenvereinigungen und einzelne Firmen zählt, hält laut dem Papier rund um das Thema des gewerblichen Rechtsschutzes vor allem die Entwicklung einer umfassenden Innovationspolitik für erforderlich, um auf Herausforderungen aus Ländern wie den USA, Japan, China oder Indien zu reagieren. Konzernvertreter wie der Branchenverband EICTA, den die Auswerter mit "der Computerindustrie" gleichsetzen, hätten als Schlüssel für ein funktionierendes Patentsystem die Qualität der Erteilungs- und Durchsetzungsprozesses ausgemacht. Dabei müsse etwa das Kriterium der Erfindungshöhe durch ein Kontrollsystem und eine strenge Suche nach bereits getätigten technischen Entwicklung ("Prior Art") doppelt geprüft werden. Einzelne Firmen wie Vodafone hätten auch darauf hingewiesen, dass Patente nicht die Interoperabilität und Standardisierungsprozesse behindern dürften.

Über 1000 Einreichungen, die auf einer Stellungnahme des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und anderer Softwarepatentkritiker beruhen, schreibt die Kommission pauschal "der Open-Source-Gemeinschaft" zu. Ihnen zufolge soll das Patentwesen nur Felder abdecken, in denen es seine Produktivität durch die Förderung von Innovationen und die Verbreitung von Wissen unter Beweis gestellt hat. Der Schwerpunkt bei Reformen sollte auf der Herausarbeitung substanzieller Regeln zur Definition patentierbarer Techniken liegen. Nachrangig seien die im Vordergrund der Umfrage stehenden Aspekte wie die Verringerung der Kosten für die Patentanmeldung oder andere Verfahren zur Austragung von Rechtsstreitigkeiten.

Patentanwälte und deren Vertretung pochen derweil auf die "Kosteneffizienz" des Patentwesens. Gesondert erwähnt die Kommission eine "kollektive institutionelle" Antwort der Branche aus Deutschland, die sich gegen eine neue politische Debatte über die Grundprinzipien des Patentschutzes sträubt und diese auch auf die Bereiche Software und Biotechnologie angewendet wissen will. Polnische Patentanwälte würden wiederum die Notwendigkeit betonen, eine angemessene Balance zwischen den Interessen von Patenthaltern und der allgemeinen Öffentlichkeit herzustellen.

Sowohl Anwälte als auch Industrieverbände "scheinen die Einbeziehung der Gemeinschaft beim European Patent Litigation Agreement (EPLA) zu befürworten", nähert sich die Kommission einem weiteren heiklen Punkt an. Über das Streitregelungsabkommen könnte letztlich auch eine Vereinheitlichung der weitgehenden Vergabepraxis des Europäischen Patentamtes (EPA) herbeigeführt werden. Laut der Auswertung leitet sich die der Kommission deutlich werdende Präferenz aber aus der Erfahrung ab, dass das gegenwärtige System auf Basis der Interpretation des Patentübereinkommens durch das EPA gut funktioniere und die noch bestehenden Probleme dem Mangel einer einheitlichen Rechtsprechung in Auseinandersetzungen zuzuschreiben seien. Der "letzte Anlauf" zum Gemeinschaftspatent, den McCreevy mit der Konsultation wagen wollte, wird dem Papier zufolge im Prinzip begrüßt. Die bisherigen Pläne würden aber vor allem aufgrund der verbleibenden Übersetzungsstreitigkeiten größtenteils für derzeit nicht realisierbar gehalten.

Aus den Antworten der speziell befragten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) liest die Kommission eine "ängstliche Haltung zum Patentsystem insgesamt" heraus. Reformen oder Initiativen wie der Vorstoß zum Gemeinschaftspatent werden "als potenzielle Hintertür für die Einführung von Softwarepatenten angeführt, was die Mehrzahl von ihnen ablehnt". Die Ursache sieht die Behörde darin, dass bei KMUs das allgemeine Wissen über das Patentsystem fehle. Ein anderer Vorbehalt bei ihnen sei, dass selbst eine gute patentierbare Erfindung keine Verhandlungsebene auf Augenhöhe mit großen Marktakteuren schaffe. Eine Einschätzung der Ergebnisse will die Kommission gemeinsam mit Interessensvertretern am 12. Juli im Rahmen eines Workshops in Brüssel vornehmen. (Stefan Krempl) / (pmz)