Ordentlich oder nicht: Kündigungsverzicht ist bindend
Verpflichtet sich ein Arbeitgeber für einen bestimmten Zeitraum auf Kündigungen zu verzichten, so ist das in der Regel bindend, auch wenn sich die Lage der Firma verschlechtert.
Vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf dreht sich in diesen Tagen in insgesamt achtzehn Fällen alles um die Frage, ob außerordentliche Kündigungen möglich sind, nachdem der Arbeitgeber sich in einer Vereinbarung verpflichtet hat, auf den Ausspruch von ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen zu verzichten.
Was genau ist passiert? Der Arbeitgeber, ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft, hat gegen 121 Mitarbeiter eine jeweils außerordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Die Betroffenen haben Kündigungsschutzklagen dagegen eingelegt, nun werden einige der Fälle vor dem LAG Düsseldorf verhandelt.
Der finanziell angeschlagene Arbeitgeber hatte im vergangenen Jahr eine Dienstvereinbarung unterschrieben. In dieser hatte er sich dazu verpflichtet, bis zum 31.12.2011 auf ordentliche betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Als Gegenleistung warfen die Arbeitnehmer ihr Weihnachtsgeld in die Waagschale. Es würde also kein Weihnachtsgeld, aber auch keine Kündigungen geben – so jedenfalls die Annahme der Mitarbeiter.
Doch im Januar sprach der Arbeitgeber 121 Kündigungen aus und zwar nicht "ordentliche", sondern "außerordentliche" – die waren in der Vereinbarung nicht genannt worden. Zur Begründung der Kündigungen führte der Arbeitgeber vor Gericht aus, eine unerwartet hohe Tarifsteigerung habe dies notwendig gemacht, es sei die einzige Chance zur Abwendung einer drohenden Insolvenz gewesen. Vor Ausspruch der Kündigungen wurden mit dem Betriebsrat eine Auswahlrichtlinie und ein Sozialplan ausgehandelt. Die Mitarbeitervertreter sahen den Arbeitgeber also im Recht.
Das Arbeitsgericht Duisburg aber nicht, das hat den Kündigungsschutzklagen nämlich stattgegeben. Der Kündigungsverzicht sei bindend und gelte weiter. Dass der Arbeitgeber außerordentliche Kündigungen ausgesprochen hat, die in der Vereinbarung nicht erwähnt werden, spielte bei dem Urteil keine Rolle. Der Arbeitgeber ging in Berufung und ist mit dieser in den ersten sechs jetzt verhandelten Fällen vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf gescheitert.
Das Gericht ging in seinem Urteil davon aus, dass der Kündigungsverzicht als Gesamtzusage an die Belegschaft weiter wirksam sei. Wie die Richter betonten, ändere auch der Abschluss einer Auswahlrichtlinie und des Sozialplans mit der Mitarbeitervertretung nichts daran. Einen angeblichen Wegfall der Geschäftsgrundlage konnten die Richter nicht erkennen. Auch wurden die hohen Anforderungen, die der Gesetzgeber an den Ausspruch einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung stellt, nicht erfüllt. Dass die Bank nur bei Ausspruch der Kündigungen bereit gewesen sei, die Kreditlinie zu erhöhen, reiche nicht aus. Auch habe der Arbeitgeber die Vereinbarung zum Kündigungsverzicht in Kenntnis einer schwierigen wirtschaftlichen Situation vereinbart (Urteile vom 23.11.2011, Az.: 12 Sa 926/11). (Marzena Sicking) / (map)