Musikindustrie: Regierung will Urheberrecht zum "zahnlosen Tiger" machen

Der Regierungsentwurf zur Stärkung des geistigen Eigentums geht laut den Phonoverbänden nach hinten los, weil Abmahngebühren gekappt und Auskunftsansprüche nicht weit genug gehen. Provider sehen dies anders.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 202 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der heftig umstrittenen EU-Richtlinie zur zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte ist bei Unternehmensverbänden auf ein geteiltes Echo gestoßen. Das Vorhaben verfehle das Ziel der Brüsseler Vorgaben, "der Kreativwirtschaft effektive Mittel zum Schutz ihrer Rechte an die Hand zu geben", beklagt Michael Haentjes, Vorsitzender der Deutschen Phonoverbände. Das Urheberrecht verkomme mit den Planungen zum "zahnlosen Tiger".

Der Protest der Musikindustrie richtet sich zum einen gegen die auf Anraten von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgeschlagene Begrenzung der Abmahngebühren bei Urheberrechtsverletzungen auf 50 Euro beim ersten Mal. "Damit werden Künstler und Musikwirtschaft doppelt bestraft", kontert Haentjes. "Sie haben den Schaden und müssen auch noch die Kosten der Rechtsverfolgung weitgehend selbst tragen." Ein weiterer Dorn im Auge ist den Phonoverbänden, dass die Bundesregierung an einem Richtervorbehalt beim geplanten Auskunftsanspruch festgehalten hat, den nichtstaatliche Stellen gegen Internetprovider zur einfacheren Abfrage von Nutzerdaten zu IP-Adressen beim Verdacht auf Rechtsverletzungen im Internet bekommen sollen. Die Rechteinhaber sollen dazu pro richterliche Anordnung zunächst 200 Euro zahlen.

Mit diesen Bestimmungen ist Haentjes zufolge die Chance verpasst worden, "effektiv und unbürokratisch gegen die Flut der illegalen Downloads vorzugehen". Nach den Berechnungen der Phonoverbände entgehen der Musikwirtschaft und dem Staat "jährlich Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe" durch das illegale Treiben in Tauschbörsen. Die Lobbyvereinigung will daher in diesem Jahr monatlich mindestens 1000 entsprechende Fälle zur Anzeige bringen. Unterstützung im parlamentarischen Verfahren kann sich die Musikindustrie etwa vom Urheberrechtsexperten der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Günther Krings, sicher sein: Er vertritt seit langem die Position, dass bei den Providern vorhandene Bestands- und Verbindungsdaten auf einfachstem Weg auch für die Verfolgung von Urheberrechtsverstößen freigegeben werden.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco sieht die Sache ganz anders. "Wir brauchen den Richtervorbehalt, sonst wird dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet", erklärte eco-Justizexpertin Hannah Seiffert gegenüber heise online. Die Erfahrung habe gezeigt, dass schon die derzeit möglichen Auskunftsersuchen privater Firmen in strafrechtlich relevanten Fällen extrem angestiegen seien. Allein ein einzelnes Mitgliedsunternehmen sei jüngst auf einen Schlag mit über 30.000 Abfragen von Nutzerdaten hinter IP-Adressen konfrontiert worden. "Künftig sollen wir dann nicht nur als Hilfssheriff für den Staat, sondern auch für Streitigkeiten von Privaten untereinander herhalten", sorgt sich Seiffert vor einer weiteren Überlastung der Zugangsanbieter. Sollte ein entsprechender Auskunftsanspruch gewährt werden, müssten die Firmen den Providern auf jeden Fall eine angemessene Kostenerstattung zahlen. Eine entsprechende Festsetzungsgrundlage sei im Regierungsentwurf aber nicht zu finden.

Generell steht der eco einem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch weiter grundsätzlich kritisch gegenüber und hält die strafrechtlichen Abfragemöglichkeiten für ausreichend. "Wir verstehen das intensive Bemühen der Musik- und Filmindustrie um die weitere Aushöhlung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Fernmeldegeheimnisses nicht", wies Seiffert das Klagelied aus Teilen der Medienwirtschaft entschieden zurück. Auf jeden Fall müsse eine rechtsstaatliche Sicherung jeglicher Auskunftspflichten auch künftig gegeben sein.

Der Markenverband begrüßte derweil den Kabinettsbeschluss in weiten Teilen. Es sei ein richtiger Schritt, Produktpiraterie und Markenfälschung wirksamen Einhalt zu gebieten, betonte Verbandspräsident Franz-Peter Falke. Die Markenlobby forderte aber auch verschärfte strafrechtliche Sanktionen und die Einführung einer Mindeststrafe von einem halben, besser noch einem Jahr Freiheitsstrafe für gewerblich begangene Schutzrechtsverstöße.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)