Erste Online-Arztpraxis in der Kritik

Eine ärztliche Behandlung dürfe nicht ausschließlich aus der Ferne durchgeführt werden, meint die Bundesärztekammer. DrEd beruft sich auf die EU-Richtlinie zur Patientenmobilität und grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung.

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Von
  • Detlef Borchers

Die am Montag dieser Woche ohne große Werbung gestartete deutsche "Niederlassung" der Online-Praxis DrEd wird von der Bundesärztekammer "äußerst skeptisch" beurteilt. In einer ersten Stellungnahme heißt es unter Verweis auf die ärztliche Berufsordnung, dass eine ärztliche Behandlung nicht ausschließlich aus der Ferne durchgeführt werden darf.

Die erste deutsche Online-Praxis beruft sich juristisch auf die Anfang dieses Jahres beschlossene EU-Richtlinie zur Patientenmobilität und grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung. Nach dieser Richtlinie sind die Patienten berechtigt, medizinische Leistungserbringer aus dem europäischen Raum frei zu wählen. Die in London ansässige und vom britischen Gesundheitsdienst zertifizierte Online-Praxis behandelt in ihren "Sprechstunden"derzeit vor allem Krankheiten, die mit einer gewissen Scheu dem Arzt oder der Ärztin offenbart werden: Impotenz und Haarwuchs bei Männern, die Verhütung bei Frauen sowie die Diagnose und Behandlung von Geschlechtskrankheiten bei beiden Geschlechtern stehen im Mittelpunkt des Praxis-Angebotes, bei dem DrEd mit deutschen Labors kooperiert. Patienten müssen außerdem Selbstzahler sein, da die deutschen gesetzlichen Krankenkassen keine telemedizinische Leistungen übernehmen.

"Telemedizinische Verfahren können ärztliches Handeln unterstützen, sie sind aber kein Instrument, um ärztliche Kompetenz zu ersetzen", kritisiert die Bundesärztekammer das Vorhaben. Nach ihrer Sicht ist das Angebot nichts anderes als die Erschließung neuer Absatzmärkte der Industrie. Auch deutsche Ärzte, die der Telemedizin aufgeschlossen gegenüberstehen, sind skeptisch und verweisen auf den komplexen Forschungsbereich der Blickdiagnostik. "Dass ich etwas über meine Patienten erfahren will, ist ein Grund, weshalb ich sie immer persönlich aus dem Wartezimmer abhole. Wie sitzt er da, wie steht er auf, wie bewegt er sich, wie schüttelt er mir die (trockene, feuchte) Hand?" erklärte ein Arzt gegenüber heise online. "Man spart vielleicht Raum- und Hygienekosten, aber die Diagnostik wird eher erschwert, langwieriger, teurer. Die Transaktionskosten dürften steigen, wenn dann noch ein weiterer Behandler hinzugezogen werden muß, weil online sich nicht abschließend diagnostizieren lässt." Der Versuch, abseits der Mitteilung eine Stellungnahme von DrEd zu erhalten, scheiterte unter anderem am überlasteten Mail-Server der Praxis. (jk)