Mittelmäßige Noten für IT-Standort Deutschland

Der IT-Standort Deutschland hat aufgeholt, rangiert aber weiter im Mittelfeld: Zum IT-Gipfel der Bundesregierung wurde ein internationaler Vergleich von 15 Industrie- und Schwellenländern präsentiert.

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Von
  • Detlef Borchers

Der IT-Standort Deutschland hat aufgeholt, rangiert aber weiter im Mittelfeld: Im internationalen Vergleich belegt die hiesige Branche gemeinsam mit Schweden Rang 6, sie rückte damit gegenüber dem Vorjahr einen Platz nach oben. Spitzenreiter ist wie im Vorjahr Südkorea, gefolgt von den USA. Der jährlich aufgelegte Monitoring Report über 15 Industrie- und Schwellenländer wurde auf dem 6. IT-Gipfel 2011 der Bundesregierung in München vorgestellt. Als Wettbewerbshindernis wird in dem Bericht der Datenschutz in Deutschland genannt, weil er zu "Rechtsungleichheit im internationalen Wettbewerb" führe.

Die Studie von TNS Infratest sieht Deutschland bei der Mobilfunknutzung und vor allem bei den Online-Werbeumsätzen in führender Position. Im Bereich E-Commerce hat Deutschland seinen ersten Platz aus dem vorigen Jahr an Südkorea verloren. Dies liegt vor allem an der "schleppenden Adaptionsgeschwindigkeit" beim E-Government, der beim E-Commerce mitgewichtet wird, erklärte Studienleiterin Sabine Graumann von TNS Infratest.

Das Ranking der 15 Staaten nach dem "TNS-Benchmark"

(Bild: TNS Infratest)

Die schlechteste Platzierung belegte Deutschland mit Rang 13 bei der Nutzung sozialer Netzwerke: 51 Prozent der deutschen Internetnutzer halten sich in ihnen auf. "Die strikte Regelung des Datenschutzes ist ein gravierender Standortnachteil", erklärte Graumann. Neben einer Vereinheitlichung des Rechtsrahmens in der EU müsse Deutschland mehr Fachkräfte hervorbringen und den Mittelstandes mit staatlicher Hilfe internationalisieren.

Weitere Erkenntnisse lieferte eine Studie des Mannheimer ZEW, die ebenfalls zum IT-Gipfel vorgestellt wurde. Deutsche IKT-Firmen expandieren vor allem ins deutschsprachige Ausland und nach Westeuropa und begleiten dabei häufig ihre Kunden. Als größtes Exporthemmnis werten die Mannheimer die Angst vor Produktpiraterie im Ausland.

Für die ebenfalls präsentierte Zukunftsstudie des Münchener Kreises wurden gut 7200 Nutzern in acht Ländern Zukunftsszenarien zur Bewertung vorgelegt. Der größte Unterschied zwischen Deutschland und der Welt tat sich bei einer Bildungsfrage auf. Während Befragte in anderen Ländern meinten, dass das digitale Schulbuch für sie schon existiere, wollten 61 Prozent der Deutschen es erst einmal ausprobieren. 28 Prozent wären dabei bereit, für solch ein Schulbuch zu bezahlen; hierzu zeigten sich dem gegenüber 45 Prozent der chinesischen Befragten bereit. "China ist erheblich weiter als wir", kommentierte Arnold Picot vom Münchener Kreis. Ein ähnliches Verhältnis gebe es auch beim "lebenslangen Datentresor", einem Online-Speicher für eigene Daten. Diesen würden 90 Prozent der chinesischen, aber nur 57 Prozent der deutschen Befragten nutzen. Picot schlug daher eine "nationale Strategie zum Schutz persönlicher Daten" vor, mit der Bürger Vertrauen schöpfen können.

Hans-Joachim Otto, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, zeigte sich zufrieden damit, dass sich Deutschland um einen Platz verbessert hat. Angesichts der Einführung von LTE hierzulande sagte er: "Deutschland ist das erste Land in der Europäischen Union, das die digitale Dividende umsetzt." Zum Datentresor erklärte Otto, das Vertrauen der Nutzer in die digitale Welt müsse stärker gefördert werden. "Wir sind im Datenschutz weit vorne, manchmal aber auch ein bisschen von der Realität entfernt", meinte der Staatssekretär angesichts der Diskussionen über Google Street View. "Wir brauchen eine komplett neue Datenschutzgesetzgebung, mit der der Datenschutz auf eine aktuelle Basis gestellt wird."

Deutschland müsse dafür sorgen, dass dort geschützt wird, wo wirklich personenbezogene Daten in Gefahr seien, sagte Otto. Gleichzeitig dürfe Deutschland aber keinen Datenschutz betreiben, der die eigene Industrie hemmt. Die Anbieter von Cloud Computing hätten bessere Chancen im Wettbewerb, wenn sie sich selbst zum Datenschutz verpflichteten. (anw)