Joseph Weizenbaum: "Man spricht nicht mehr miteinander."

Joseph Weizenbaum wird gerne als Computerkritiker bezeichnet. Dabei gilt seine Sorge weniger den Computern, als vielmehr den Menschen, die sie kritiklos einsetzen, wie er in einem Vortrag an der TU Darmstadt erneut betonte.

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Joseph Weizenbaum wird gerne als Computerkritiker bezeichnet. Dabei gilt seine Sorge weniger den Computern, als vielmehr den Menschen, die sie kritiklos einsetzen. An der TU Darmstadt versuchte er am gestrigen Dienstagabend dieses Bewusstsein bei angehenden Informatikstudenten zu wecken.

Weizenbaum ist einer der bekanntesten Computerpioniere. 1923 in Berlin geboren emigrierte er mit 13 Jahren mit seiner Familie nach USA, wo er schließlich 1950 sein Studium abschloss und begann, an Computern zu arbeiten. Ab 1963 war Weizenbaum Professor am renommierten MIT in Boston. Bekannt wurde er vor allem durch sein Programm ELIZA, das einen Psychotherapeuten simuliert.

Eingangs seines Vortrags berichtete Weizenbaum anekdotenhaft von den Bemühungen der Amerikaner, eine Abwehr gegen die vermutete Gefahr aus der Sowjetunion zu schaffen, was die Entwicklung immer schnellerer und damit kleinerer Computer erforderte. Der Übergang von Propellerflugzeugen zu Jets und dann zu Raketen resultierte in immer kürzeren Vorwarnzeiten, was das amerikanische Verteidigungsministerium zu entsprechenden Investitionen in signalverarbeitende Anlagen veranlasst habe. Geschwindigkeit, Speicherkapazität und Zuverlässigkeit seien dabei die drei großen Entwicklungsziele gewesen. Erst Jay Forresters Erfindung des magnetischen Kernspeichers hätte den Durchbruch gebracht, der alle drei Ziele vereinbarte.

Mehrmals bezog sich Weizenbaum auf seinen 1972 in Science erschienenen Artikel On the Impact of the Computer on Society. Man habe damals befürchtet, dass Roboter in die Fabriken einziehen und die Menschen arbeitslos machen. Auf die heutige Zeit übertragen beklagte Weizenbaum, dass immer mehr Menschen durch Automaten ersetzt würden -- sei es beim Fahrkartenverkauf oder in der Bankfiliale. Für die Aktionäre sei dies gut, nicht aber für die Menschen, denen nun diese Arbeit fehle, und für den Staat, dem ein Steuerzahler ausfalle. Im Rückblick auf 1972 beklagte Weizenbaum, dass man damals nicht daran gedacht hätte, auf Automaten Steuern zu erheben.

Der Einsatz von Computern habe Konsequenzen, die oft nicht durchdacht würden. Dabei geschehen Dinge, die niemand geplant oder gewollte habe. Als Beispiel nannte er die Zusammenschaltung der Börsenplätze, die seiner Ansicht nach dazu geführt habe, dass die Börse zum Kasino verkommen sei. Niemand habe geplant, die Anzahl der Börsenplätze zu vermindern. Dies sei einfach als Konsequenz des Computereinsatzes geschehen. Er argumentiere auch nicht damit, dass jemand Schuld daran sei. Der Mensch könne eben vielem widerstehen, nicht jedoch der Versuchung.

Im übrigen beklagte Weizenbaum die Dummheit der Menschen. Alles, was sie wüssten, wüssten sie aus dem Fernsehen. Da sei es kein Wunder, dass sie sich belügen ließen, ohne die Aussagen ihrer Regierung zu hinterfragen. Das träfe sowohl auf die Amerikaner zu, die man bei der Begründung des Irak-Krieges belogen habe, wie auch auf die Deutschen, die sich hätten erzählen lassen, die Wiedervereinigung wäre kostenlos. Allein der Zugang zu Informationen sei eben nicht ausreichend. Es käme auch darauf an, sie zu hinterfragen.

Am Ende seines Vortrags gab sich Weizenbaum sehr pessimistisch und zitierte ein Interview mit Stephen Hawking, in dem sich dieser nicht einmal sicher gewesen sei, ob es in hundert Jahren überhaupt noch eine Menschheit gebe. Weizenbaum kritisierte die zunehmende Komplexität der von Menschen geschaffenen Systeme, die nicht mehr beherrschbar sei. Die Menschheit befinde sich in einer exponentiellen Entwicklung, die anfangs ganz langsam Änderungen zeitige, die dann jedoch immer schneller vonstatten gingen. Es sei Zeit, umzukehren.

Auf die Frage, was denn zu tun sei, wich Weizenbaum zunächst aus. Schließlich hob er auf die Bildung der Menschen ab. Es sei wichtig, die eigene Sprache möglichst gut zu lernen und zu benutzen. Das beginne in der Familie, in der man möglichst viel und intensiv miteinander sprechen müsse. Nicht ohne Stolz erzählte er, dass eine Tochter einst vorgeschlagen habe, den Geschirrspüler nicht mehr zu nutzen und statt dessen gemeinsam abzuspülen. Die Gesellschaft entwickle eine radikale Einsamkeit: "Man spricht nicht mehr miteinander." Die unmittelbare Kommunikation zwischen Menschen sei notwendig und durch nichts zu ersetzen. Und dazu gehöre eine möglichst gute Beherrschung der Sprache. Sie müsse oberstes Ziel der Ausbildung von Kindern sein.

Siehe zu Joseph Weizenbaum und seiner Kritik auch:

(Volker Weber) (jk)