US-Minister bestreitet Datenhunger der USA

Michael Chertoff, US-Minister für Homeland Security, hält den Transfer von Flugpassagierdaten nicht für Datensammelei im großen Stils. Bundesinnenminister Schäuble betonte die hohe Bedeutung, die der Datenschutz innerhalb Europas habe.

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Von
  • Detlef Borchers

Michael Chertoff, US-Minister für Homeland Security, hat anlässlich eines Besuches beim Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bestritten, dass der Transfer von Flugpassagierdaten (Passenger Name Records) eine Datensammelei im großen Stil ist. "Wir sammeln wirklich keine gigantischen Datenmengen. Es sind nur 34 Datenfelder wie etwa Ihre Telefonnummer und Ihre E-Mail-Adresse," erklärte Chertoff in einer gemeinsam mit dem Bundesinnenminister abgehaltenen Pressekonferenz. Chertoff hatte zuvor mit Schäuble ein Gespräch über die Übermittlung der PNR-Daten geführt.

Derzeit hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne und daher die Aufgabe übernommen, in Abstimmung mit der EU-Kommission ein Abkommen zwischen der EU und den USA zur Übermittlung von PNR-Daten auszuhandeln. Dabei ist nicht strittig, dass die USA PNR-Daten auswerten. Strittig ist vielmehr, wie lange die Datensätze in den USA gespeichert werden und welche US-Behörden neben dem Department of Homeland Security auf die Daten zugreifen. Die USA wollten zunächst eine Aufbewahrungsfrist von 50 Jahren und einen unbegrenzten Zugriff aller Behörden. Schäuble betonte auf der Pressekonferenz die hohe Bedeutung, die der Datenschutz innerhalb Europas habe.

Die 34 Datenfelder eines Passenger Name Records (PNR) umfassen: Buchungscode, Datum der Reservierung, geplante Abflugdaten, Name, andere Namen im PNR, Anschrift, Zahlungsart, Rechnungsanschrift, Telefonnummern, gesamter Reiseverlauf für den jeweiligen PNR, Vielflieger-Eintrag (beschränkt auf abgeflogene Meilen und Anschrift(en)), Reisebüro, Bearbeiter, Codeshare-Information im PNR, Reisestatus des Passagiers, Informationen über die Splittung/Teilung einer Buchung, E-Mail-Adresse, Informationen über Flugscheinausstellung (Ticketing), allgemeine Bemerkungen, Flugscheinnummer, Sitzplatznummer, Datum der Flugscheinausstellung, Historie aller nicht angetretenen Flüge (no show), Nummern der Gepäckanhänger, Fluggaststatus mit Flugschein aber ohne Reservierung (go show), spezielle Service-Anforderungen (OSI – Special Service Requests), spezielle Service-Anforderungen (SSI/SSR – Sensitive Security Information/Special Service Requests, Information über den Auftraggeber, alle Änderungen der PNR (PNR-History), Zahl der Reisenden im PNR, Sitzplatzstatus, Flugschein für einfache Strecken (one-way), etwaige APIS-Informationen (Advance Passenger Information System), automatische Tarifabfrage (ATQF).

Nach Ansicht von Sicherheitsspezialisten reichen die 34 Datenfelder im Kampf gegen den Terror nicht aus. So hatte Andreas Pohler von der Abteilung "Customs, Ports and Border Management" der IBM Business Consulting Group auf dem 1. deutschen Sicherheitsforschungskongress erklärt, dass der PNR erweitert werden müsse. Um effizient zu sein, müsse der PNR um Informationsfelder aufgestockt werden, damit die Sicherheitsüberprüfung im Vorfeld bereits im Land des Einreisenden mit einer polizeilichen Überprüfung gekoppelt werden kann.

Unabhängig von den PNR-Verhandlungen möchte Innenminister Schäuble im Rahmen des internationalen Kampfes gegen den Terror den Informationsaustausch mit den USA intensivieren. In der Presserklärung zum Treffen zwischen Schäuble und Chertoff heißt es: "Wir streben ein deutsch-amerikanisches Abkommen zur Intensivierung des Informationsaustausches an, denn wir brauchen einen gut funktionierenden Informationsaustausch zwischen unseren Staaten. Nur auf diese Weise ist es möglich, ein höchstmögliches Maß an Sicherheit für unsere Bürger zu gewährleisten." Der erweiterte Informationsaustausch soll Fragen der Biometrie und der Visaverfahren aber auch die Zusammenarbeit bei IT-Projekten umfassen.

Chertoff besuchte Schäuble im Anschluss an das World Economic Forum in Davos. Dort hatte Chertoff in einer Rede den "islamistischen Terrorismus" als Jahrhundertgefahr bezeichnet, weil er eine völlig neue Dimension des Terrorismus sei, nicht vergleichbar mit den Taten der Irisch-Republikanische Armee (IRA) oder der Roten Armee Fraktion (RAF). Es gehe bei dieser Dimension des Terrorismus nicht mehr darum, alle Risiken auszuschließen, sondern diese möglichst zu begrenzen. Gijs de Vries, der Koordinator für Terrorismusfragen in der Europäischen Union, widersprach Chertoff und warnte vor der Kategorisierung "islamistischer Terrorismus". Vries sprach sich für eine Form der Bekämpfung des Terrorismus aus, die die Menschenrechte achtet und internationale Normen wie das Folterverbot strikt einhält. (Detlef Borchers) / (jk)