Koalition bringt Antrag für offene IT-Standards in den Bundestag ein

Schwarz-Rot will allgemein den Einsatz offener Dokumentenstandards fördern und für die IT des Bundes größtenteils verbindlich machen sowie Migrationspfade aufzeigen, um den Wettbewerb zu stärken.

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Die große Koalition will mit einem Antrag, der nach Angaben von Beteiligten am heutigen Mittwoch in den Bundestag eingebracht wird, den Einsatz offener Dokumentenstandards in Wirtschaft und Verwaltung fördern. "Deutschland ist auch deshalb zum Exportweltmeister aufgestiegen, weil in vielen technischen Bereichen, wie zum Beispiel dem Maschinenbau oder der Kommunikationstechnik, die Nutzung offener Standards eine Selbstverständlichkeit ist", heißt es in dem heise online bereits vorliegenden Papier, das mittlerweile als Bundestagsdrucksache 16/5602 (PDF-Datei) veröffentlicht wurde. Bei der Erstellung und Speicherung digitaler Dokumente werde derzeit aber noch weitgehend auf herstellerabhängige, nicht öffentlich dokumentierte Formate zurückgegriffen, obwohl auch hier mittlerweile Alternativen in Form von genormten Standards vorliegen oder in der Entwicklung sind. Die Abgeordneten haben hier etwa Office-Software im Blick, wo mit dem Open Document Format (ODF) ein ISO-Standard existiert.

Der Einsatz offener Standards im IT-Bereich kann Schwarz-Rot zufolge "Märkte öffnen oder neue Märkte schaffen". So könnten mehrere Hersteller Produkte zur Unterstützung solcher Richtmaße entwickeln. Damit werde für den Verbraucher die Möglichkeit geschaffen, zwischen verschiedenen Produkten zu wählen. Wahlfreiheit wiederum schaffe Konkurrenz und beflügele Wettbewerb sowie Innovation. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland mit seiner überwiegend mittelständisch strukturierten Softwarebranche sei unverzichtbar, "dass der Zugang dieser Unternehmen zu den entsprechenden Standards ungehindert und diskriminierungsfrei möglich ist". Für alle Beteiligten müsse der Austausch von Dokumenten und Daten zwischen Behörden, Unternehmen und Bürgern ohne große technische Hindernisse möglich sein. Andernfalls würden mit der weiter zunehmenden Digitalisierung des Wissens bereits bestehende Abhängigkeiten von einzelnen großen Softwareherstellern wie Microsoft erhöht und die langfristige Archivierbarkeit und Abrufbarkeit von digitalen Daten in Frage gestellt.

Konkret soll die Bundesregierung mit dem jüngst bereits angekündigten Antrag noch vor der Sommerpause aufgefordert werden, "das Bewusstsein von Verwaltung, Wirtschaft und Bürgern für die Bedeutung international akzeptierter, offener Dokumentenstandards umfassend zu fördern". Im eigenen Geschäftsbereich möge der Bund mit gutem Beispiel vorangehen und die Offenheit bei Dateien wo immer möglich praktizieren. In den entsprechenden Gremien der EU, des Bundes und der Länder soll die Exekutive auf ein entsprechend koordinierteres Vorgehen hinwirken und Vorschläge für politische Initiativen machen, um die Bundesbehörden auf offene Dokumentenstandards zu verpflichten.

Einher geht mit dem Papier auch der Auftrag an die Regierung, die Beschaffungsverfahren von IT für die öffentliche Hand im Rahmen des geltenden Vergaberechts zu überprüfen. Auch dort sollten möglichst offene Dokumentenstandards als Teil der Leistungsbeschreibung zwingend vorgegeben und diese gegebenenfalls umgesetzt werden. Die Abgeordneten wollen die Exekutive ferner anhalten, die Wirtschaft bei der Entwicklung und Nutzung international akzeptierter, offener Dokumentenstandards zu fördern und an der Neu- und Fortentwicklung solcher Vorgaben und Austauschformate mitzuwirken. Für Bereiche, in denen herstellerabhängige Dokumentenformate de facto trotz normierter offener Alternativen dominieren, sollen Migrationspfade hin zu diesen freien Formaten aufgezeigt und mittelfristig die Umstellung durchgeführt werden.

Standards sollen gemäß dem Antrag als "offen" betrachtet werden, wenn sie den Austausch zwischen verschiedenen Plattformen und Applikationen ermöglichen und ausreichend dokumentiert sind. "Die Schnittstellen müssen offen gelegt, die technischen Spezifikationen auch umsetzbar sein, und ihre Nutzung muss zu fairen und diskriminierungsfreien Konditionen lizenziert werden", heißt es in dem Papier. Die letzte Formulierung gilt als Zugeständnis an etablierte Größen im Softwaremarkt, die von den neuen Spielregeln keineswegs ausgeschlossen werden sollen. Wer die Programme schreibe, mit der man die offenen Dokumente lesen und bearbeiten kann, sei egal, hört man bei Parlamentariern der SPD-Fraktion. Ausschlaggebend sei, dass prinzipiell Offenheit erzeugt werde. (Stefan Krempl) / (mid/c't) / (jk)