Ministerpräsidenten unterzeichnen neuen Glücksspielstaatsvertrag

Nicht alle Länderchefs haben den neuen Vertrag unterzeichnet. Der Branche geht die Neuregelung des Glücksspiels nicht weit genug und verweist auf den Alleingang Schleswig-Holsteins.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben auf ihrem letzten Treffen in diesem Jahr am Donnerstag einen neuen Glücksspielstaatsvertrag unterzeichnet. Der von verschiedener Seite heftig kritisierte Vertrag sieht Lizenzen für 20 private Sportwettenanbieter vor, die ihre Geschäfte online anbieten können. Casino-Glücksspiele und Online-Poker sind nach wie vor nicht erlaubt. Schleswig-Holstein tanzt mit einem eigenen Staatsvertrag aus der Reihe und will auch solche Spiele erlauben.

Zum Jahresanfang sollen 20 Anbieter von Sportwetten im Internet eine Lizenz erhalten und in Konkurrenz zum staatlichen Wettbüro Oddset treten dürfen. Dabei müssen sie 5 Prozent der Wetteinsätze an den Staat abführen und diesem garantieren, dass ihre Kunden nicht mehr als 1000 Euro im Monat verwetten.

Eine Ausnahme von dieser Neu-Regelung plant Schleswig-Holstein mit einem eigenen Glücksspielgesetz: im nördlichsten Bundesland sollen Lizenzen für Internet-Anbieter nicht begrenzt werden. Statt der 5 Prozent vom Umsatz sollen die Anbieter in Schleswig-Holstein dann eine Steuer von 20 Prozent des Rohertrags entrichten. Außerdem sollen sie neben Sportwetten auch Online-Casinospiele und Online-Poker anbieten dürfen.

Die deutsche Automatenwirtschaft kritisiert beide Varianten als Bedrohung der guten Sitten und verweist dabei auf das ihrer Ansicht nach entspannende wie ungefährliche Vergnügen in Spielhallen hin. Würde dies – wie im Gesetz vorgesehen – strenger kontrolliert, würden die Spielgäste "ihr Spielvergnügen dann woanders suchen, nämlich im unbegrenzten und unkontrollierbaren Internet", heißt es in einer ganzseitigen Anzeige in allen deutschen Tageszeitungen.

Kritik an der geplanten Gesetzesänderung üben auch die Anbietern von Online-Wetten und -Glücksspielen. Sie verweisen auf ein von ihnen in Auftrag gegebenes Gutachten des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier. Dieser kommt zu dem Schluss, dass das geplante Gesetz verfassungswidrig ist, weil die Beschänkung auf 20 Konzessionen eine "Berufszulassungsbeschränkung" darstelle.

Außerdem verweisen die Anbieter auf die noch nicht vorliegende Notifizierung des Gesetzentwurfes durch die EU-Kommission: Im Herbst 2010 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das deutsche Glücksspielmonopol für unzulässig erklärt und eine Neuregelung gefordert, die der europäischen Harmonisierung entspricht. Zuletzt hatte das Europäische Parlament die Bekämpfung des Internet-Schwarzmarktes durch Vergabe von Spiellizenzen für alle Arten des Glücksspiels gefordert und einen europäischen Verhaltenskodex angemahnt.

Der schleswig-holsteinische Glücksspiel-Staatsvertrag (PDF-Datei) wird von den Internet-Anbietern dagegen begrüßt, obwohl die Abgaberegelung für sie unattraktiv ist. Rund 40 Anbieter wollen sich in Schleswig-Holstein niederlassen, in der Hoffnung darauf, dass die auf schleswig-holsteinische "Wohnsitze" beschränkte Spielgenehmigung auf Deutschland ausgeweitet wird. Denn noch ist völlig unklar, wie die Zulassung eines Spielers überprüft werden soll. Als Hamburg als erstes Bundesland das per Gerichtsbeschluss gestoppte Online-Roulette seinen Bürgern präsentierte, wurden die Spielerdaten automatische mit dem Melderegister der Stadt abgeglichen, was Datenschützer problematisch fanden.

Nach der Unterschrift der Ministerpräsidenten muss der neue Glücksspielstaatsvertrag von den einzelnen Bundesländern ratifiziert werden. Zusätzlich muss auch noch der Bundestag abstimmen, da die Länder mit dem Staatsvertrag Kompetenzen des Bundes übernehmen wollen. (vbr)