Angespielt: Shadow Cities für iOS

Die finnischen Entwickler von Grey Area gewannen bei den jüngsten Game Developer Awards den begehrten Innovationspreis. Shadow Cities entführt den Spieler in ein Paralleluniversum, das die reale Welt mit der magischen Welt der Schatten vereint.

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"Spider my BC, go North" – Rantanplan hat mal wieder eine Spinne aufgestöbert. Eigentlich wollte ich ja nur kurz ernten und dann schlafen gehen. Aber für einen Level-15-Magier sind Spinnen eine der wenigen verbliebenenen Herausforderungen! Mach ich eben einen kurzen Abstecher zu meinem Freund in Kanada.

Shadow Cities spielt in einem Paralleluniversum; Das Spielkonzept des "Location Based Role Playing" verknüpft über die GPS-Koordinaten des iPhone die reale mit der magischen Welt der Schatten. Beim Start des Spiels erscheint zunächst eine verfremdete Karte, die man schnell als Google-Map seines aktuellen Aufenthaltsorts erkennt. Durch diese von Sphärenklängen untermalte Schattenwelt schweben diverse Geister in Form glühender Bälle; auch die Mitspieler tauchen als levitierende Kugeln auf.

In einer Schattenwelt auf Basis von Google-Maps kämpfen orange Architekten gegen grüne Animatoren.

Allerdings kann man in den Schatten nicht einfach so herumspazieren. An einen anderen Ort gelangt man über Zaubersprüche, die man über Touchscreen-Gesten aktiviert. So kann man sich zu neutralen oder freundlichen Punkten teleportieren, um die nähere Umgebung zu erkunden. Da auf diesem Weg nur Dinge in Sichtweite erreichbar sind und sich deren Dichte an der Besiedlung orientiert, hat man dabei einen Aktionsradius von wenigen hundert Metern bis hin zu ein paar Kilometern.

Gemeinsam mit anderen Magiern lassen sich kleinere Distanzen durch so genanntes "froggen" überbücken; eine Art Bockspringen, bei dem man reihum auf beziehungsweise über den Mitspieler hinweg teleportiert. Diese Fortbewegungsart war dem Vernehmen nach im ursprünglichen Konzept gar nicht vorgesehen, hat sich aber schnell als wichtiges Spielelement durchgesetzt. Gerüchten zufolge sind sogar schon Magiere bis zum Südpol gefroggt.

Die große weite Schattenwelt erschließt sich erst durch "Beacons" (engl. für Leuchtfeuer) befreundeter Spieler, von denen man anfänglich nur wenige hat. Im Lauf der Zeit lernt man immer mehr Magier kennen und landet dann im Handumdrehen in München oder Tübingen, später auch in New York oder Shanghai. Ein Teil der Faszination des Spiels liegt darin, Freunde in aller Welt zu besuchen und mit ihnen zusammen in der Schattenwelt um die Häuser zu ziehen.

Zum Gedenken an Steve Jobs versammelten sich verfeindete orange und grüne Schatten-Magier friedlich in Cupertino.

Magier jagen die Geister der Schattenwelt, die in ihrer Nähe immer wieder neu auftauchen. Wer mit Zaubersprüchen einen Geist verbannt, bekommt dafür Punkte, mit denen er innerhalb seiner Gilde aufsteigt, seine Fertigkeiten verbessert und neue Zaubersprüche erlernt. Außerdem muss man eine eigene Infrastruktur aus Energiefördertürmen errichten, um Beacons und andere Verbraucher zu versorgen. Und dann heißt es, die zu verteidigen. Denn in der Schattenwelt bekämpfen sich zwei verfeindete Magier-Clans: die grünen, naturnahen Animatoren (im Chat "Salate") und die orangen technikaffinen Architekten ("Orangen" oder "Kürbisse").

Wer Energiefördertürme, Geisterfallen und Leuchtfeuer des gegnerischen Clans zerstört, erhält ebenfalls Punkte. Gelegentlich erzeugt das System auch Beacons im besonders aktiven Feindesland. So kann es passieren, dass man sich plötzlich einer Invasion des eigenen Hinterhofs gegenüber sieht. Dann hilft nur eine Liste aktiver Freunde, die auf Zuruf dabei helfen, die gegnerischen Magier mit Zaubersprüchen zeitweise aus der Schattenwelt zu verbannen. Auf Wunsch sendet Shadow Cities sogar Push-Nachrichten, wenn ein Freund ein Notfallsignal absetzt.

Um eine Spinne zu erlegen, müssen mindestens 20 erfahrene Magier zusammenarbeiten.

Die finnischen Entwickler von Grey Area starteten das Spiel Ende 2010 und gewannen bei den jüngsten Game Developer Awards den begehrten Innovationspreis. Gelegentlich stören Abstürze und Verzögerungen bei der Verbindung. Doch derlei Bugs werden mit Updates beseitigt. Zudem führen die Finnen regelmäßig neue Spielelemente wie "Arachne Weaver" ein – einen mächtigen Spinnengeist, der anfangs nahezu unbesiegbar schien. Die soeben erschienene Version 1.4.2 brachte höhere Magier-Level und Geister mit speziellen Fähigkeiten.

Über die Einstiegshürden des Spiels helfen kleine Tutorials hinweg. Danach findet man im Chat fast immer Magier, die einem Neuling gern auf die Sprünge helfen. Jeder Clan hat seinen eigenen Chat, in dem man gemeinsame Aktionen koordinieren kann. Über die wird dann nicht selten im offenen Chat geprahlt.

Zaubersprüche wie den „War Chant of Light“ aktiviert man durch Touch-Gesten.

Shadow Cities spielt mit der Anbindung an die reale Welt. Allerdings ist diese schwach ausgeprägt; die meisten reisen auf der heimischen Couch in die Welt der Schatten. Das funktioniert auch per WLAN-Lokalisation mit einem iPod touch. Als Neuling bin ich noch mit dem Fahrrad ans andere Ende von Hannover gefahren, um das Beacon eines feindlichen Magiers zu zerstören. Heute würde ich dazu eher meine Freunde im Architekten-Chat zum "Salat ernten" einladen und mit ihnen kurz mal nach Hannover-Linden froggen.

Wer die Wartezeit zum Wiederauffüllen der Zauberenergie verkürzen will, muss reales Geld für Mana-Phiolen ausgeben; mit etwas Geduld kommt man aber auch gut ohne aus. Insgesamt kombiniert Shadow Cities geschickt verschiedene Rollenspielelemente und bietet reichlich Abwechslung für viele Wochen. Langweilig sind allerdings die mehrtägigen Kampagnen-Duelle der Clans geworden. Denn in Deutschland sind die "Salate" zahlenmäßig so haushoch überlegen, dass sie meist schon nach wenigen Stunden uneinholbar vorne liegen. Wir bräuchten also dringend orangen Nachwuchs.

Nachtrag: Die Team-Verteilung hat sich nach dem Erscheinen des Artikels deutlich geändert. (mst)