Elektrische Rennserien sind unterirdisch, müssen das aber nicht sein

Klartext: Die Formel E(lektro-Looping)

Elektrorennserien sind ein derzeit sehr trauriges Schauspiel, mehr auf Ankommen hoffende Rundfahrt denn wirkliches Rennen. Schuld daran sind die Akkus. Also weg mit den schweren Dingern, her mit Loopings!

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Von
  • cgl

Es gibt Elektro-Rennserien und sie sind alle unterirdisch. Beispiel: Während meines weitgehend schlaflosen Einsatzes bei den 24 Stunden von Le Mans (Motorrad) hörte ich einmal den Streckensprecher Motorgeräusche nachahmen, und erst da fiel mir ein, dass Freund und Kollege Rainer Kopp vorher irgendwas von einer Elektrorennserie gemurmelt hatte, in der er antrete. Das musste ich sehen! Als ich es sah, wünschte ich mir, ich hätte es nicht gesehen. Es war das traurigste Schauspiel, das die traditionsreiche Rennstrecke je über sich ergehen lassen musste. In der Startaufstellung standen fünf Fahrzeuge. Gut, das sind eben Pioniere, hätte man sagen können. Aber dann ging die Rundfahrt los, denn ein "Rennen" konnte der Sprecher beim besten Willen nicht feststellen, und der war außer mir der Einzige, der überhaupt zuschaute. Die Fahrzeuge zeigten mitnichten das aktuell technisch Machbare, sondern waren beseelt von einem pervertierten olympischen Gedanken: Hauptsache, dabei sein. Ein Roller mit aufgekrakeltem Peace-Zeichen fuhr mit. Zum Glück hat das keiner gesehen.

Trauriges Schauspiel auch in Laguna Seca: Eine umgebaute Suzuki GS 500 nimmt mit gut abgehangenen Straßenreifen an der E-Power-Meisterschaft teil.

(Bild: FIM)

Vor Kurzem versandte einer dieser Elektrokradbastler eine Pressemeldung: "Unsere Elektrorennmaschine ist so schnell wie ein Verbrennerkrad!" Es stellte sich dann heraus, dass ihr Apparat eine Runde lang das Tempo einer Geländemaschine erreichte. Das wäre so, als würde im größeren Maßstab McLaren stolz verkünden, sie schaffen jetzt endlich eine elektrische Runde Silverstone genauso schnell wie eine Mercedes G-Klasse. Yippieh.

FIAs Formel E ab 2013

So wird das nix mit sehenswerten Elektrorennklassen, was zum dringenden Problem wird, denn die FIA will ab 2013 eine internationale Top-Elektroklasse anbieten, die "Formel E". Um die ist es noch sehr still, was verständlich ist, denn ein peinliches Herumrollen bei exorbitanten Kosten will sich angesichts ständig wackelnder Finanzsysteme niemand antun. Kommen wir zum Schuldigen: Es ist der Akku. Schmeißt den raus. Kommen wir zur Lösung: Versorgt die Motoren induktiv mit Strom. Statt verfetteter Batteriewannen könnten sehnig-leichte Spezialrennmaschinen an den Start gehen, die mit radselektiv fein ansteuerbarem Allradantrieb alles in den Schatten stellen, was wir heute an Rundenzeiten kennen.

Die Regeln wären einfach: Der Veranstalter gibt eine verplombte Leistungselektronik heraus, die eine maximale Leistung durchlässt. Das könnten für eine mit der Formel 1 vergleichbare Rennklasse zum Beispiel runde 1000 kW sein. Damit ist die Höchstleistung des Fahrzeugs wirksam definiert, und die Konstrukteure können darangehen, das Beste aus dieser Leistung zu holen. Die Teams dürfen elektrische Bremsanlagen verwenden und erhalten als Belohnung für ihre Energieeffizienz mehr Streckenzeit im Qualifying, je mehr Leistung sie in der Bremszone zurück ins Streckennetz speisen. Die Rennleitung kontrolliert die offizielle Elektronik und überhaupt das Fahrzeug wie gehabt hinterher im Parc Fermé. Boxenstopps sind untersagt, weil Boxenstopps langweilig sind.

Die Induktionsspulen verlegen die Rennstreckenbetreiber, wenn sie ohnehin den Belag erneuern, und Rennstrecken wie Silverstone, die eben erst alles renoviert haben, denen hilft der Veranstalter, die Schleifen zu verlegen. Diese Umbauzuschüsse werden teilweise öffentlich mit dem Geld finanziert, das die Regierung heute Autoherstellern einfach so schenkt, wenn sie versprechen, "irgendwas mit Strom" zu machen. Damit bleiben die traditionellen Rennstrecken für Verbrennerrennen im Prinzip, wie sie jetzt sind, nur dass die Gigawatt-Liga dort eben auch starten kann.

Das induzierte Spektakel

Induktionsspulen können für eine ganz neue Linie sorgen. Es könnte auf den Geraden markierte Boost-Stellen geben, auf denen mehr Leistung als daneben ansteht. Je nach Verteilung dieser Booster-Felder ergeben sich fahrzeugabhängig ganz neue schnellste Rennlinien, ganz neue Überholstrategien. Zielgerade Nürburgring, kurz vor dem Knick nach unten auf Kurve Eins zu, da kommt ein langes Booster-Feld für Geistesgestörte hin. Die Zuschauer werden es lieben. Die Sponsoren werden es lieben. Shell wird das Booster-Feld der letzten Kurve auf Start-Ziel direkt an der Kamera mieten, und Koffeinsuppenhersteller wie Monster Energy werden sich um das Geistesgestörtenfeld prügeln: "... und er fährt mit Vollspannung übers Rockstar-Energy-Feld, während sein Gegner mädchenhaft früh bremst, und überholt ihn außen mit zwei Rädern im Dreck! Mein Gott! Was für ein Wahnsinniger!"

Der eigentliche Clou werden jedoch Spezialrennstrecken sein. Das ganze Gelaber mit "ein Formel-1-Auto kann wegen Anpressdruck auf dem Kopf fahren" war bisher rein theoretischer Quark, weil über Kopf die Pumpen für Öl und Treibstoff nicht funktionieren. Gigaliga-Rennwagen könnten jedoch bei entsprechender Aerodynamik tatsächlich völlig problemlos auf dem Kopf fahren. Sie sollten es sogar. Gigaliga-Spezial-Strecken werden senkrechte Abschnitte haben, die somit nur mit einer gewissen Mindestgeschwindigkeit erklimmbar sind. Wer sich hier ausbremsen lässt, fällt weit zurück – und weit nach unten. Der "Grand Canyon International Raceway" wird es schaffen, Laguna Seca auf Anhieb vom Thron der coolsten amerikanischen Rennstrecke zu stoßen. Das liegt dann ein bisschen an der hübschen Szenerie, hauptsächlich jedoch an den Steilwand-Windschattenduellen und den Loopings. Die Zielgerade wird im Flussbett unter Wasser liegen, einfach, weil es geht.

Technik, die transferiert

Erinnert an ein Videospiel? Soll es. Beim Bau neuer Strecken sind von Anfang an Spiele-Designer dabei. Erstens sollen sie bei der Planung mitreden, zweitens soll das Videospiel fertig sein, bevor die Strecke eröffnet wird, damit die Rennfahrer schon mal im Rennsimulator üben können. Lizenzzahlungen für "Formel E" auf der Packung fallen nur an, wenn das Spiel schlecht gemacht ist; als Strafe.

Morgens, halb zehn, in 2042: Angst im Blick. Als er die Loopings vorschlug, dachte Herr Gleich noch nicht an Staus.

(Bild: Buenos Dias)

Und dann der Techniktransfer! Akku-Enwickler brauchen nicht noch mehr Anreiz, denen sitzt schon jeder Autohersteller der Welt mit der Peitsche im Nacken. Induktionstechnik dagegen könnte ein bisschen PR gebrauchen. Sie ist jetzt schon so gut, dass die Übertragungseffizienz besser ist als beim Weg über Akku laden und entladen. Die Felder sind automatisch schaltbar, damit wirklich nur Abnehmer das volle Feld bekommen, und nicht am Fahrrad auf einmal alle Drähte verschmurgeln, weil ein paar hundert Kilowatt Wirbelstrom durch wollen. Sobald unter allen Großstädten und allen Autobahnen das Stromgitter liegt, ist es egal, dass Akkus Grütze sind.

Die Rolle der Rennleitung übernimmt im öffentlichen Verkehr weiterhin die Polizei; die StVZO schreibt wie gehabt die Regeln vor, legt also die maximale Leistungsaufnahme für Pkw fest. Auch hier könnten das zum Beispiel runde 1000 kW sein, die wach haltende 350 km/h durch die Kassler Berge erlauben, sobald wir die A7 auf achtspurig mit Loopings ausgebaut haben. In der Stadt sparen wir Strom und kappen die Leistungsaufnahme auf die Hälfte. 500 kW müssen reichen. Außer an den besten Ampeln, da verkauft die Stadt Werbeplätze für 1000-kW-Booster-Felder. Wir sehen uns in der Zukunft am Red-Bull-Booster Ludwigsburg. Und keine Frühstarts, bitte. (cgl)