Europäische Software-Industrie mit neuer Lobby-Schlagkraft
Auf dem politischen Parkett in BrĂĽssel will kĂĽnftig auch die European Software Association mitreden, die 26 Firmen wie die DATEV, SAP oder Microsoft fĂĽr die Wahrung ihrer Interessen ins Leben gerufen haben.
Auf dem engen politischen Parkett in Brüssel will künftig auch die European Software Association als neue Lobbykraft ein Wörtchen mitreden. 26 Firmen haben die Vereinigung am heutigen Donnerstag ins Leben gerufen, um ihre Interessen europaweit besser wahren zu können und ihrer Branche mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Aus Deutschland sind unter anderem Beta Systems, die DATEV, Lexware oder SAP mit am Start. Als einziges US-Unternehmen zählt auch Microsoft zu den Gründungsmitgliedern, da die Redmonder in Europa mit zahlreichen bedeutenden Niederlassungen vertreten sind. Paradoxerweise bezeichnete es der Vorstandsvorsitzende der Truppe, Jeremy Roche, aber als eines ihrer Ziele, der übermächtigen US-Software-Industrie "insbesondere bei Desktop-Software" Paroli zu bieten. Roche selbst ist Chef der britischen Firma CODA, welche im März eine strategische Allianz mit Microsoft eingegangen ist.
Roche verteidigte den neuen Lobbyverbund gegen bereits aufgetauchte Vermutungen, dass es sich um ein "trojanisches Pferd" der Redmonder in Brüssel handle. Man wolle vielmehr die Fragmentierung der klassischen Softwarehersteller in Europa überwinden und mit einer gemeinsamen Stimme der EU-Kommission und dem EU-Parlament gegenüberstehen. Zu konkreten Politikfeldern, auf welche die Lobby Einfluss nehmen will, haben sich die Verbandsmitglieder bislang nur vage geäußert. Man wolle sich um Bereiche wie Open Source, Datenschutz, die Finanzierung von Forschung und Entwicklung sowie die Aufbauhilfe für junge Firmen mithilfe von Wagniskapital kümmern, hieß es. Ein Schwerpunkt soll so auch die Mittelstandsförderung sein. Roche sprach in diesem Zusammenhang auch davon, dass die Vereinigung als ein "virtuelles Silicon Valley" fungieren soll.
Zu einem der gegenwärtig am heftigsten umkämpften politischen Stolperstein der Branche, zur Patentierung von Software und deren vorläufig gescheiterter "Harmonisierung" in der EU, nahm Roche sehr zurückhaltend Stellung. Die beteiligten Firmen wüssten nur, dass sie über die Implikationen von Softwarepatenten noch zuwenig wissen, antwortete er philosophisch auf eine Frage zur künftigen Positionierung der Lobby auf diesem Gebiet. Die Interessensvertretung wolle hauptsächlich dafür sorgen, dass ihre Mitglieder über die Entwicklungen rund um den Monopolschutz von Programmcode gut informiert seien.
In Brüssel stößt die European Software Association auf bereits zahlreiche andere Lobbygruppierungen im IT-Bereich wie die Business Software Alliance (BSA), die EICTA, CompTIA, NESSI oder den Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII). Der Gründer der Initiative NoSoftwarePatents.com, Florian Müller, bezeichnete es in einer ersten Reaktion auf die Gründung der weiteren Vereinigung als "schleierhaft", wie damit die Interessen der insgesamt stark mittelständisch geprägten europäischen Softwarewirtschaft vertreten werden sollten. Ein Problem vergleichbarer Gruppierungen sei, dass die breite Masse der Mittelständler sich in politisch naiver Weise auf Drahtzieher verlassen, "die hemmungslos gegen 99 Prozent der Mitglieder operieren." Die kleinen und mittleren Softwarefirmen würden ihre Namen und ihr Geld trotzdem für die großen Verbände hergeben, anstatt sich punktuell bei Themen wie Softwarepatenten zusammenzutun und wahrlich für ihre eigenen Anliegen zu kämpfen. (Stefan Krempl) / (jk)