Boykottaufruf gegen die Abnahme von Fingerabdrücken für Reisepässe

Der Chaos Computer Club (CCC) rät den Bürgern zum zivilen Ungehorsam bei der beschlossenen Einführung der zweiten Generation der Biometriepässe, während Pläne für eine zentrale Fingerabdruckdatenbank die Schweiz entzweien.

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Der Chaos Computer Club (CCC) rät den Bürgern zum zivilen Ungehorsam bei der beschlossenen Einführung der zweiten Generation von Reisepässen mit biometrischen Merkmalen. Konkret ruft die Hackervereinigung dazu auf, bei der Beantragung eines neuen Passes von November an die dann startende Abnahme von Fingerabdrücken bei den Meldeämtern zu boykottieren. Auch weitere Bestimmungen des jüngst vom Bundestag verabschiedeten und vor einer Woche vom Bundesrat abgesegneten "Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften" stoßen den Sicherheitstestern unangenehm auf. "Mit dem sofortigen, schrankenlosen Online-Abruf der Ausweisbilder schon bei Ordnungswidrigkeiten wird eine neue Dimension des staatlichen Biometrieterrors gegen die Bürger erreicht", warnt CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn. Kombiniert mit Verfahren zur automatischen Gesichtserkennung seien der permanenten Alltagsüberwachung damit keine Grenzen mehr gesetzt.

Gemäß dem neuen Gesetz sollen künftig Fingerabdrücke als zweites biometrisches Merkmal neben dem digitalen Lichtbild in die Reisepässe aufgenommen werden. Erlaubt wird damit auch erstmals eine automatisierte Übermittlung von Lichtbildern aus Pässen und Ausweisen an die Polizei- und Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Straftaten und Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Passbehörden im Eilfall. Ein entsprechender Online-Abruf soll unter regionaler Zuständigkeit zulässig sein, wenn eine der rund 5300 Meldestellen "nicht erreichbar ist und ein weiteres Abwarten den Ermittlungszweck gefährden würde". Laut dem CCC hat die Politik damit eine "teure Sicherheitssimulation ohne Nutzen beschlossen". Statt ein Mehr an Sicherheit zu erzeugen, solle nun die gesamte Bevölkerung auf den Meldeämtern erkennungsdienstlich behandelt werden.

In der Praxis könnte die Aufnahme der Fingerabdrücke der Hackergruppe zufolge für eine Vielzahl von Reisenden unangenehme Auswirkungen haben. Großflächige statistische Untersuchungen hätten gezeigt, dass drei bis fünf Prozent der Bevölkerung keine ausgeprägten Fingerabdrücke aufweisen. Besonders häufig sei dies bei älteren Menschen der Fall. Auffallen würden die damit verbundenen Probleme aber erst beim Versuch eines Grenzübertrittes außerhalb des Schengen-Raums innerhalb von Teilen der EU. Die Konsequenzen für die Reisenden würden nach Auskunft des Bundesinnenministeriums von gesonderter Behandlung mit verschärfter Kontrolle bis zur Rückweisung reichen. Das gleiche gelte bei einem Defekt des RFID-Chips, auf dem die biometrischen Merkmale gespeichert werden.

Die Schweizer entzweien derweil Pläne der eidgenössischen Regierung, im Rahmen der Einführung der nächsten Generation des dortigen ePasses eine zentrale Datenbank mit Fingerabdrücken aufzubauen. Das entsprechende Vorhaben des Schweizer Bundesrates geht den Hütern der Privatsphäre eindeutig zu weit. Die zentrale Speicherung der Fingerabdrücke sei weder nötig noch zweckmäßig, hält ein Sprecher des eidgenössischen Datenschutzbeauftragten dagegen. Die damit verknüpften Risiken seien dagegen unabsehbar. Auch wenn momentan versprochen werde, dass die Abdrücke nicht zu Fahndungszwecken verwendet würden, wecke eine solche Sammlung Begehrlichkeiten bei den Strafverfolgern. Werde diesen stattgegeben, könnten Unschuldige in die Mühlen der Justiz geraten, nur weil sie sich irgendwann einmal an einem Tatort aufhielten. Auszuschließen sei auch nicht, dass ausländische Behörden unerlaubterweise bei Kontrollen die Fingerabdrücke der Schweizer speichern.

Die Schweizer Regierung spricht sich dagegen für die zentrale Speicherung biometrischer Merkmale aus, weil die Passerschleichung unter falscher Identität momentan vergleichsweise einfach sei. Die Behörden könnten bei der Passausstellung die wirkliche Identität der Person demnach in einigen Fällen nur beschränkt überprüfen. Diese Lücke wolle man mit der zentralen Datenbank schließen.

Zum ePass, dem neuen elektronischen Personalausweis und den Auseinandersetzungen um Ausweise mit digitalisierten biometrischen Merkmalen siehe den Online-Artikel in c't – Hintergrund:

(Stefan Krempl) / (jk)